Full text: [Teil 2 = 3. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 3. Schuljahr, [Schülerband])

sagte er ernst: „Es ist das Ende". Da knieten alle anderen nieder 
und beteten ein Vaterunser. 
Kaum aber mochte es gebetet sein, da klang draußen ein 25 
Horn so laut und schmetternd, daß die Männer im Zelte zusammen¬ 
fuhren und hinauseilten. So blieb ich allein und verlassen neben 
dem toten Diebe." 
6.' 
„Nun begann es stiller und stiller zu werden. Zuletzt rührte 
sich nichts mehr. Kein Pferd trabte, kein Ruf erscholl. Da blickte 
ein dickes, rotes Gesicht vorsichtig ins Zelt und fuhr, als er den 
Toten sah, erschrocken wieder zurück. Nach ein paar Minuten 
war es wieder da und dann wieder, und darauf schlich ein Mann 5 
auf den Zehen herein. Er durchsuchte die Taschen des Toten, nahm 
Münzen heraus, band ihm das Schwert ab und den Mantel, den 
Hut und den großen weißen Spitzenkragen, bis der Dieb fast 
nackend da lag. Alles wurde in ein großes Bündel zusammen¬ 
gelegt und von dem Fremden auf den Schultern weggeschleppt. 10 
Auch mich nahm er mit. 
Nach ein paar Stunden trat er mit all den Sachen in einen 
kleinen, dumpfigen Hausflur. Ein alter, schmutziger Mann kam 
uns entgegen. Sein langer, weißer Bart fiel ihm auf die Brust 
herab. Seine Augen waren stark gerötet, als habe er eben ge-is 
weint. Auf seinem Kopfe trug er eine abgeschabte Kappe. In 
einem Zimmer, wo eine Öllampe kaum den Tisch erhellte, wurde 
das Bündel ausgepackt und Stück für Stück befühlt und unter¬ 
sucht. Als ich an die Reihe kam, funkelten die kleinen, trüben 
Augen des Alten, er wog mich in seiner Hand und schloß mich sofort20 
in einen Wandschrank, dessen Tür von dem Holzgetäfel kaum zu 
unterscheiden war. Nach ein paar Augenblicken gab's Zank und 
Streit in der Stube. Wilde Flüche und böse Worte fielen. Ich 
hörte den Alten jammern. „Mein Geld! Mein Geld! Er ist ja 
nichts wert, der Plunder!" — Dann wurds still." 25 
7. 
„In der Nacht wurde der Schrank geöffnet und alles, was darin 
verwahrt lag, in ein Tuch gepackt. Da waren Haarspangen, Finger¬ 
ringe auf Bindfäden gereiht, große und kleine Münzen, Bücher 
mit silbernen Klammern, Hauben aus Gold- und Silberdraht usw. 
Lautlos trug uns der Alte in den Keller des Hauses. Dort 5 
hatte ein andrer, es mochte wohl sein Sohn sein, ein tiefes Loch
	        
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