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Vom gemeinen Wohl.
183. Der Straßenbau im Steinthal.
Ein Hauptbedürfnis für die Bewohner des Steinthals war die Anlegung
einer Straße, die ihre Gegend mit der Hauptstraße und den angrenzenden
Ortschaften in Verbindung setzte. Der Regierung war es nicht zuzumuten, und
von ihr war es nicht zu erwarten, daß sie nach einem so abgelegenen Gebiet
hin sollte eine Straße bauen lassen. Da rief Oberlin eines Tages seine Bauern
zusammen. „Kinder“ sagte er, „es ist nötig, daß wir durch unser Steinthal
bis zu der nahen Hauptstraße eine Seitenstraße anlegen und eine Brücke über
die Breusch bauen.“ Die Bauern staunten mit offenem Munde den Pfarrer
und sich untereinander an und sagten einmütig, das ginge unmöglich, sie hätten
andere Sachen zu thun, als Straßen zu bauen. Da sagte der Pfarrer: „So
wie es jetzt ist, seid ihr einen großen Teil des Jahres hindurch von der ganzen
übrigen Welt abgeschieden. Nicht einmal im Sommer kann sich ein Fuhrwerk
zu euch herauf getrauen. Bauet eine Straße, so könnt ihr eure Landeserzeugnisse
leichter absetzen und das ganze Jahr hindurch den Umgang anderer Leute ge—
nießen.“ — „Das geht unmöglich an, Herr Pfarrer“, antworteten die Bauern.
— „Wer also will, der folge meinem Beispiel“, sagte der Pfarrer, „und gehe
mit hinaus; ich will's euch zeigen, wie man eine Straße bauen muß.“ —
Oberlin, in seinem alten Rock, nahm eine Pickelhaue auf die Schulter und ging
voraus, und siehe da, die Bauern eilten jeder in sein Haus und folgten, der
eine mit einer Schaufel, der andere mit Spaten, der dritte mit Pickel und Brech—
eisen, dem Pfarrer nach. Bei diesem war der ganze Plan schon längst überlegt
und ausgedacht; er stellte gleich einen jeden an seinen Ort und legte selber mit
seinem Knechte gerade da, wo die Arbeit am beschwerlichsten und gefährlichsten
ershien, rüstig die Hand an. Die Bauern arbeiteten mit dem Pfarrer bis zum
Mittag und dann wieder bis zum Abend, und so war der Straßenbau begonnen
und nach wenigen Monaten auch vollendet. Bald war auch über die schäumende
Breusch von dem Pfarrer im Steinthal und seinen Bauern die Bruücke erbaut
und die Verbindung mit der Hauptstraße vollends bewerkstelligt. Jetzt wurden
nun auch durch die einzelnen Teile des Steinthals selber Steinwege angelegt.
Die Kirche des einen Ortes war so gelegen, daß bei feuchter Witterung die
Lirchengänger nur durch einen See von Schmutz und Schlamm zu ihr gelangen
konnten. Oberlin empfahl, daß jeder, der zur Kirche ginge, einen Stein mit
sich bringen und außen niederlegen sollte zur Begründung eines festen Weges,
und ging dabei selber mit gutem Beispiel voran. Nachdem so das Thal ge—⸗
Leinigt und trocken gelegt, überall bepflanzt und blühend geworden war, ging
Oberlins Sorgfalt auch weiter ins Innere der Ortschaften selber und in den
Bau der Häuser ein. Schon früher hatte er seine Bauern gelehrt, den Dünger,
der vorher nur ein ekelhafter Schmutz um die Häuser her gewesen war, in
besondern Gruben aufzubewahren und für den Ackerbau zu benutzen, und dies