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Herrn Vaters Majestät aus dieser Zeitlichkeit zum ewigen Frieden ange—
rufen worden. Die heldenmütige, aus christlicher Ergebung erwachsende
Thatkraft, mit der Er Seinen Königlichen Pflichten ungeachtet Seines
Leidens gerecht zu werden wußte, schien der Hoffnung Raum zu geben,
daß Er dem Vaterlande noch länger erhalten bleiben werde. Gott hat
es anders beschlossen. Dem Königlichen Dulder, dessen Herz für alles
Große und Schöne schlug, sind nur wenige Monate beschieden gewesen,
um auch auf dem Throne die edlen Eigenschaften des Geistes und Herzens
zu bethätigen, welche Ihm die Liebe Seines Volkes gewonnen haben.
Der Tugenden, die Ihn schmückten, der Siege, die Er auf den Schlacht—
feldern einst errungen hat, wird dankbar gedacht werden, so lange deutsche
Herzen schlagen, und unvergänglicher Ruhm wird Seine ritterliche Gestalt
in der Geschichte des Vaterlands verklären.
Auf den Thron Meiner Väter berufen, habe Ich die Regierung im
Aufblick zu dem Könige aller Könige übernommen und Gott gelobt, nach
dem Beispiele Meiner Väter Meinem Volke ein gerechter und milder Fürst
zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu pflegen, den Armen und Be—
drängten ein Helfer, dem Rechte ein treuer Wächter zu sein.
Wenn Ich Gott um Kraft bitte, diese Königlichen Pflichten zu erfüllen,
die Sein Wille Mir auferlegt, so bin Ich dabei von dem Vertrauen zum
Preußischen Volke getragen, welches der Rückblick auf unsere Geschichte
Mir gewährt hat. In guten und in bösen Tagen hat Preußens Volk
stets zu seinem Könige gestanden; auf diese Treue, deren Band sich Meinen
Vätern gegenüber in jeder schweren Zeit und Gefahr als unzerreißbar
bewährt hat, zähle auch Ich in dem Bewußtsein, daß Ich sie aus vollem
Herzen erwidere als treuer Fürst eines treuen Volkes, beide gleich stark
in der Hingebung für das gemeinsame Vaterland. Diesem Bewußtsein
der Gegenseitigkeit der Liebe, welche Mich mit Meinem Volke verbindet,
entnehme Ich die Zuversicht, daß Gott Mir Kraft und Weisheit verleihen
werde, Meines Königlichen Amtes zum Heile des Vaterlandes zu walten.
Potsdam, den 18. Juni 1888. Wilhelm.
156. Gebet.
1. Ein Haupt hast du dem Volk gesandt
und trotz der Feinde Toben
in Gnaden unser Vaterland
geeint und hoch erhoben.
Mit Frieden hast du uns bedacht,
den Kaiser uns bestellt zur Wacht
zu deines Namens Ehre.
2. Wir danken dir mit Herz und Mund.
du Retter aus Gefahren,
und fleh'n aus tiefster Seele Grund,
du wollest uns bewahren,
Herr aller Herrn, dem keiner gleich,
den Kaiser und das deutsche Reich
zu deines Namens Ehre
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