93. Der Reichstag zu Worms 23
93. Der Reichstag zu Worms.
Am 31. Oktober 1817 hatte Dr. Martin Luther seine 95 Thesen
an die Thüre der Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen und dadurch
den Anstoß zu jener tiefen Bewegung der Geister gegeben, welche in
ihrem weiteren Verlaufe zur Glaubenstrennung führte; 41 dieser Sätze
waren vom päpstlichen Stuhle als Irrtümer erklärt und Luther zum
Widerrufe aufgefordert worden. Dieser aber verbrannte die Bulle und
mit ihr das Gesetzbuch des kanonischen Rechts, durch welche Handlung
der Bruch mit der römischen Kirche offen erklärt war. Da berief Kaiser
Karl V. den Reichstag nach Worms, zunächst zur Bewilligung der
Reichshilfe für den beabsichtigten Römerzug, zugleich aber auch zum
Austrag der kirchlichen Streitigkeiten. Wenngleich der päpstliche Gesandte
es mißbilligte, daß eine bereits vom Oberhaupte der Kirche entschiedene
Streitfrage noch einmal weltlichen Richtern vorgelegt werden sollte, so
blieb es doch bei der Bestimmung des Kaisers.
Vom Kaiser und mehreren Fürsten mit sicherem Geleit versehen,
brach Luther nach Worms auf und ward Tags nach seiner Ankunft
vom Reichsmarschall Ulrich von Pappenheim vor die Reichsversammlung
gefordert, am 17. April 15321. In der Versammlung saßen außer dem
Kaiser und seinem Bruder, dem Könige Ferdinand, 6 Kurfürsten, 28 Herzoge,
30 Prälaten, viele Fürsten, Grafen, überhauyt 200 Personen.
Das Wort gegen Luther führte der Vikar des Kurfürsten von
Trier, Johann von Eck, — nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen
Kanzler der Ingolstädter Universität. Er richtete an Luther die Frage,
ob er die Schriften, deren Titel man ihm ablas, als die seinigen er—
kenne, und ob er ihren Inhalt widerrufen wolle. Luther bejahte die erste
Fra fur Beantwortung der zweiten bat er sich Bedenkzeit aus. Diese
wur. ihm auf 24 Stunden gewährt. Andern Tages gab Luther folgende
Erklärung ab: „Meine Schriften sind nicht von gleicher Art. Einige
zur Erklärung der Bibel und zur Erbauung geschrieben, haben selbst
meine Gegner gebilligt, und sie widerrufen, hieße Christum verleugnen;
andere sind gegen die Irrtümer, Mißbräuche und Tyranneien des
Papsttums, für die Wahrheit und die Rechte des Kaisers und der Stände.
Fin Widerruf würde jene Tyrannei zu bestätigen scheinen und das
Verderben vieler Seelen nach sich ziehen. Endlich habe ich gegen einzelne
Personen, die Verteidiger jenes Unrechts, geschrieben, heftiger als es sich
für einen christlichen Gottesgelehrten schickt. Gerne bekenne ich diesen
Fehler; allein den gesamten Inhalt der letztgenannten Schriften kann
ich eben so wenig als den der übrigen widerrufen.“ Darauf entgegnete
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