108 95. Die deutschen Dörfer vor und nach dem dreißigjährigen Kriege
Gustav Adolf und Pappenheim fielen. Wallenstein blieb dann lange unthätig in
Böhmen, während die Schweden wieder in Süddeutschland einrückten. Er stand im
Verdachte, Verrat an den Kaiser üben zu wollen, wurde deshalb von diesem seiner
Feldherrnwürde entsetzt, und von mehreren Verschworenen zu Eger ermordet (1634).
Der Krieg wurde mit immer größerer Erbitterung fortgesetzt; am Ende mischten sich
auch die Franzosen ein, und nur die große allgemeine Erschöpfung zwang zum
Frieden (1648) Dieser überantwortete Deutschland dem Einflusse des Auslandes und
brach die Macht des Kaisers und Reiches, und mehr und mehr ging Deutschland
seinem Verfall entgegen
95. Die deutschen Dörfer vor und nach dem dreisfsig-
jührigen Kriege.
1. Beim Beginn des dreissigjahrigen Krieges herrschte nach dem langen
Frieden grosse Wohlhabenheit unter den Bauern. Die Dörfer vwaren
nicht ganz ohne Schutzwehr; breite Gräben, Zaune oder Wände von Lehm
und Steinen umgrenzten oft das Dorf; an den Hauptstralssen hingen
Thore, welehe zur Nacht geschlossen wurden. In der Begel war der
Kirehhof mit einer besonderen Mauer geschützt; er bildete mehr als
einmal die Festung und letzte Zuflucht der Bewohner. Dorf und Flur
wurden durch Nacht- und Tagvwächter beschritten. Die Hauser waren
zwar nur von Holz und Lehm in ungefälliger Form, oft in engen Dorf—
strassen zusammengedrängt; aber sie waren nieht arm an Hausrat und
behaglicher Wohnlichkeit. Alte Obstpflanzungen umgaben die Dörfer, und
viele Quellen ergossen ihr klares Wasser in steinerne Tröge. Auf den
eingefriedeten Höfen tummelten sich grosse Scharen von kleinem Geflügel;
auf den Stoppeläckern lagen mächtige Gänseherden, und in den Ställen
standen die Gespanne der Pferde. Grosse Gemeindeherden grasten auf
den Höhenzügen und Wiesen. Die Wolle stand in hobem Preise, und an
vielen Orten wurde auf feine Zueht gehalten. Die deutschen Tuche waren
berühmt und Tuchwaren der beste Ausfubrartikel. Die Dorfflur lag
wo nicht die altfränkische Flurteilung in lange Ländereien sieh erbalten
hatte — in drei Felder geteilt, deren Hufen viel gespalten und Beet für
Beet sorgfaltig mit Steinen umsetzt waren. Der Acker vwar nicht ohne
höher Kultur. Ein feinmehliger weilser Weizen vurde in das Winterfeld
gesan. Der HFlachs ward sorgfältig dureb die Wasserröste zubereitet.
Ausserdem brachte Anis und Saflor viel Geld ein. Aueh der Kardenbau
war altheimisch; von Olsaaten wurde Rübsen. am Rheine aber Raps in
die Brache gesäet. Die schwanken Rispen der Hirse gaben reichlichen
EArtrag. In Thüringen und Franken waren damals an den Abhängen von
warmer Lage überall Rebengärten, und diese alte Kultur, vwelche jetzt
in denselben Landschaften fast untergegangen ist. muss in günstigen Jahren
doeh einen trinkbaren Wein hervorgebracht haben; denn éês werden in
den Chroniken einige Weinjahre als vortrefflich gerühmt. Auch Hopfen
wurde fleissig gebaut und zu gutem Bier benutzt. Schon säete man von