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weggeschmolzen war. Da ließ er aus fernen Landen edle Reben kommen
und dort anpflanzen. So ist der vortreffliche Rüdesheimer Bergwein
entstanden. Heute noch läßt die Sage den alten Kaiser aus seiner Gruft
zu Aachen zum Rhein heraufschreiten und die Trauben am Strome segnen:
Bei Rüdesheim, da funkelt und segnet längs dem Strome
der Mond ins Wasser hinein die Reben an jedem Ort.
und baut eine goldene Brücke Dann kehrt er heim nach Aachen
wohl über den grünen Rhein. und schläft in seiner Gruft,
Der Kaiser geht hinüber bis ihn im neuen Jahre
und schreitet langsam fort erweckt der Trauben Duft.
So ist das Rheinland geworden zum Weinlande, und aller Wohl—
stand des Landes, alle Behaglichkeit des Landes und Verkehrs hängt im
Rheinlande ab von dem günstigen Ausfalle der Weinernte; daher beginnt
im Spätherbste, der eigentlichen Erntezeit am Rhein, hier ein doppeltes Leben.
Am ganzen Rhein wird der Beginn der Traubenlese von dem Orts—
vorstande in Gemeinschaft mit den größeren Besitzern auf einen bestimmten
Tag festgesetzt. Zeigen sich die Traubenstiele trocken und verholzt, läßt
die Traube sich leicht von der Rebe ablösen, sind die Kerne hart, die
Beerenhülsen weich und durchsichtig geworden, so ist die Lesezeit gekommen.
Durch die Schelle wird dann verkündigt, an welchem Tage die gemeinsame
Lese beginnen kann. Bis zu diesem Augenblicke sind die Weinberge mit
Ausnahme großer Besitzungen für jedermann geschlossen. Verhaue und
Hecken versperren die Zugänge; Eindringlinge werden durch die Winzer—
schützen eingebracht und mit Geldstrafen belegt. Es geschieht um der
gegenseitigen Sicherheit willen. Nur in besonderen Fällen wird unter
Aufsicht eines Ehrenschützen nach eingeholter amtlicher Erlaubnis eine
frühere Lese sür den einzelnen Besitzer gestattet. Wie der Tag des Lese—
beginns, so wird auch der Tag des Weinbergschlusses amtlich bestimmt.
Und nun
dappelt's hinaus
mit Mann und Maus,
mit Kübeln und Bütten. Das Haus verläßt
selbst Kind und Kegel beim Lesefest.
Die rebengeschmückten Berge am Mittelrhein mit ihren grünen
Trauben, die der Hand des Winzers harren, liegen vor uns. Schon
tönt uns der hundertstimmige Gesang der Winzerinnen und Winzer ent—
gegen. Auf der ganzen Straße, die wir in der Richtung nach den Wein—
bergen berühren, herrscht reges Leben. Mostwagen und Winzer mit
Kannen und Bütten ziehen hin und her. Wir treten in den Weinberg.
Ein Gruppe fröhlicher Mädchen, Frauen und Kinder, die in der Lese
rüstig Hand anlegen, empfängt uns. Ein Blick hinunter auf den herrlichen
Strom mit seinen lachenden Ortschaften, ein Blick auf die frischen, heiteren
Gesichter, und unsere Stimmung gibt der der Winzerinnen nichts nach.
Vor uns, auf sanft anstrebendem Hügel, in gleichmäßiger Entfernung
voneinander stehen die Weinstöcke; zum Teil haben sie das Saftgrün
ihres Blätterschmuckes schon mit einem satten Gelb vertauscht. Eine der
Winzerinnen kommt uns entgegen und reinigt uns mit Weinblättern die
Stiesel, eine Sitte, die sich in den rheinischen Weinbergen jeder Ein—