Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

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Die einen fertigen zwei Blätter gleich auf einmal, die andern treiben 
nur ein einziges grünes Spitzchen. Alle sind noch von ziemlich 
gleicher Höhe. Doch nun suchen etliche den andern zuvorzukommen. 
Di" Winden und die Bohnen wickeln sich mit großer Schnelligkeit 
nach oben. Sie wollen gar zu gern die Könige der Pflanzen sein. 
Alle Tage rücken sie eine Spanne weiter, bringen neue Blätter 
und neue Blüten. Ein paar Monate sind verstrichen. Wie sind 
jetzt die Pflanzen auf ihrem Wettlaufe so verschieden! Die Bohnen 
und Winden sind zwei Männer hoch, der Hopfen ist noch höher, 
er wird wohl König werden. Die Weiden und Pappeln, die Haseln 
und die Goldruten sind mannshoch aufgeschossen. Sie werden wenig¬ 
stens Hoffräulein- und Kammerherrnstellen bei dem neuen König 
erhalten können. Die jungen Eichen und Buchen sind noch klein. 
Sie sind weit, weit hinter den übrigen zurückgeblieben. Die hohen, 
weißen Blumen der Winden, die feuerroten Blütentrauben der 
Bohnen formen sich schon zu Königskronen und Purpurschmuck. Sie 
schauen mitleidig herab auf die kleinen Eichen tief unter ihnen. Selbst 
die Grashalme haben sich viel länger gestreckt als das kleine Eich¬ 
pflänzchen. Sie gedenken irgendeine Stelle im Hofstaate des neuen 
Königs zu erhalten. Nur das kleine Moos nimmt sich des jungen 
Bäumchens an. Es ist selbst viel zu bescheiden, als daß es ihm in 
den Sinn kommen sollte, nach der Königskrone zu trachten. Es 
umhüllt warm und freundlich die jungen Stämmchen, schützt sie 
vor dem heißen Sonnenstrahle und reicht ihnen frisches Wasser, wenn 
sie dürsten. 
2. 
Wieder verstreichen mehrere Wochen. Die Sonne geht später 
auf und zeitiger zu Bette; die Luft wird kühler. Da ist es mit 
den stolzen Blumen schon vorbei. Dem Hopfen und den Winden 
wird es so schwach zumute, die Bohnen werden blaß und können 
nicht allein stehen. Die Grashalme sinken um, die Blüten verblühen. 
— Es fallen Schneeflocken. Nichts ist mehr von der ganzen Herrlich¬ 
keit übrig als hier und da ein dürres Hälmchen, das der Wind 
rasselnd vor sich hertreibt. Die Eiche aber hat ein kleines Stämm¬ 
chen fertig; es ist zwar so klein noch, daß die Häslein leicht darüber 
springen und kaum ein Rotkehlchen sich darauf setzen kann, auch 
sind die Blätter braun und dürr geworden; aber an dem Rütchen 
sind viele frische Knospen, in feste, braune Schalen gekleidet. Mit 
solchem Harnische angetan, sind sie gut imstande, dem härtesten
	        
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