I
wenn sie sieht, wie fleißig sie da unten auf der Erde ihre Arbeit
verrichten. Die allergrößte Freude aber ist es, wenn des Abends
Frau Sonne all ihre Strahlenkinderlein Hineinrust zum Schlafen.
Dann kommen sie alle, einer nach dem anderen an, die einen
müde, die anderen noch ganz frisch und munter, und dann sängt
ein Erzählen und Lachen und Schwätzen an.
Wer könnte auch wohl mehr erzählen als die Sonnenstrahlen?
Nun hört, was der eine von ihnen gestern abend erzählte:
2.
„Heut habe ich etwas ganz Neues gehört," sagte er, „etwas,
das ich noch gar nicht gewußt habe. Ich sah durch ein geöffnetes
Fenster in eine kleine Stube hinein, da saß eine Großmutter
aus einem Lehnstuhl. Aus ihrem Schoße lagen eine Menge
Blumen: Schlüsselblumen, Schneeglöckchen und Veilchen.
Vor ihr auf einer Fußbank saß ein kleines Mädchen. Sicher
war es eben von einem Spaziergang zurückgekommen und hatte
der Großmutter die Blumen mitgebracht. Und sicher hatte es
auch draußen viel Lustiges und Schönes erlebt, denn es erzählte
und lachte in einem fort, und manchmal klatschte es in die Hände
vor lauter Vergnügen.
Ich glaube, die Großmutter war blind; denn als ich ihr
gerade ins Gesicht schien, um zu sehen, ob auch sie sich freue,
da machte sie nicht ganz fix die Augen zu wie andere Leute
und drehte auch nicht den Kopf weg. Aber ich sah doch, daß
sie sich über das kleine Mädchen freute; denn sie lächelte und
nickte leise mit dem Kopfe.
„Ich möchte auch wohl wieder einmal in den Wald gehen
und Tannendust riechen und die Sonne scheinen sehen und die
Vöglein singen hören," sagte sie dann.
Da wurde die kleine Anna einen Augenblick ganz traurig.
Sie wußte, daß die arme, gute Großmutter zu schwach und zu
krank dazu war, daß sie nie wieder in den Wald gehen konnte.
Eine Weile saß sie ganz still und dachte nach. „Gro߬
mütterchen!" rief sie auf einmal und sprang auf und streichelte
die alte Frau und küßte sie, „Großmütterchen, weißt du was?
Morgen gehe ich noch einmal in den Wald und hole ganz,
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