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„Das wollen wir! das wollen wir!" riesen alle Sonnen¬
strahlen zugleich.
„Ich werde ihr morgen früh, wenn sie aufwacht, einen Kuß
geben," sagte der eine.
„Und ich werde die Rosenknospen in ihrem Garten recht
warm bescheinen, damit sie bald aufbrechen," rief ein anderer.
„Ich werde ihr die Kirschen am Baum reif machen."
„O — und ich — ich weiß, was ich tue! Im Garten hängt
Puppenwäsche, die hat ganz sicher die kleine Anni aufgehängt.
Ich werde so lange die Wäsche bescheinen, bis sie trocken ist."
„Und ich — ich werde morgen früh, wenn sie in den Garten
kommt, gerade in die Tautropfen, die an den Blumen und
Gräsern hängen, hineinscheinen, damit sie recht schön in allen
Farben schimmern — rot und grün und blau und gelb und lila.
Ich glaube, das wird ihr Freude machen."
Und sie taten das alles wirklich.
Sagt: möchtet ihr nicht auch eine Schwester oder ein
Bruder von den Sonnenstrahlen werden?
Sophie Reinheimer.
7. Die ersten Veilchen.
1. Ei, was blüht so heimlich am Sonnenstrahl?
Das sind die lieben Veilchen, die blühn im stillen Tal,
blühen so heimlich im Moose versteckt,
drum haben auch wir Kinder kein Veilchen entdeckt.
2. Und was steckt sein Köpfelein still empor?
Was lispelt aus dem Moose so leise, leist hervor?
„Suchet, so findet ihr! suchet mich doch!"
Ei, warte, Veilchen, warte, wir finden dich noch!
August Heinrich Hoffmann (v. Fallersleben).
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