Full text: Deutsches Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

— 1276— 
Auch von seinem Preund Fenchel nabhm er nachher rühb- 
renden Abschied und empfahl ibm dringend den armen Jonas. 
„Es ist nicht nötig,“ erwiderte der Gürtler mit tränen- 
vollen Augen, „es ist nicht nötig; denn ich weiss, was ich eurer 
Mũhwaltung zu verdanken habe. Eurem Kinde soll's vergolten 
werden.“ 
Ihaddaus reiohto ihm die matte Hand und sagte: „NMir ist 
es wobl bewulst, ihr seid ein redlicher Mann gegen alle Wolt, 
nur leider gegen euch selbst nicht. Nehmt mir's nicht üboel, 
dass mir deshalb gar bang um meinen Jonas ist. Ihr und der 
bõöse Geist seid schon zu gute Preundo.“ 
Meister Fenchel fubr erschrocken auf und meinte, der Kranke 
rede irro. Was denket ihr von mir?ꝰ“ rief er. „Der böse Geist? 
Woer? 
„Der Weingeist!“ war die Antwort, „er ist der bösesto 
von allen Geistern. Denn vwo er eingeht, geht der Verstand 
aus. Wein macht den Kopf schwer und den Beutel leer. Das 
richtet unsero Handwerker zugrunde, dass sio abends in Kneipen 
und Schenken lieber dem Wirte, als Weib und Kind daheim 
gefallen wollen. Vill's der Wein nicht mehr tun, muls Brannt- 
wein heran. Er hat FPeuer genug, dass endlich Magen, Herz 
und Hirn darin verbrennen. Urst heisst's: täglich nur ein Gläs- 
chen voll schadet nicht! Nachher heilsst's: eine Flasche voll 
tut mir wobl! Freund Penchel, hütet euch! Gebt ihr dem 
Teufel ein Haar in die Krallen, er ziebt euch damit recht sanft 
in den Rachen.“ 
Meister FPenchel sah, schuldbewulst, finster und düster, bei 
dieser Rede zu Boden. LTaddaäus wollte ibhn nicht kränken; 
reichto ihm wieder dié Hand und sprach: „Nichts für ungut, 
leber Freund; ich meint' es gut. Sterbende aber können nicht 
lũgen. 
Drei DTage nach diesem war der gute Alte im Herrn ent- 
schlafen und im Ewigen erwacht. 
Heiurich Zschokke. 
4. Bei dem Grabe meines Vaters. 
1. Friede sei um diesen Grabstein her! 
Sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben 
Einen guten Mann begraben, 
Und mir war er mehr. 
2. Träufte mir von Segen, dieser Mann, 
Wie ein milder Stern aus bessern Welten; 
Und ich kann's ihm nicht vergelten, 
Was er mir getan.
	        
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