Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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zwei Kannen Wein in des Meisters Haus.“ Die ließ der 
Bursch sogleich kommen, und nachdem sie in großen Zügen 
zu Ehren des Handwerks, der Bruderschaft und der Stadt 
schnell geleert waren, ließ sich der Fremde vom Ortenjunger 
zu dem Meister, der ihn nehmen wollte, führen. 
Schmidt-Weissenfels, Zwölf Schlosser. 
45. Der Gesell der früheren Zeit. 
Die Gesellen befanden sich anfangs zu ihrem Meister wie zu 
der Zunft rechtlich in demselben Verhältnis wie die Lehrjungen. Sie 
hatten durchgehends im Hause des Meisters nicht bloß Wohnung 
und Kost sondern auch Feuer, Licht und Wäsche frei und standen 
so in einer innigeren Verbindung zur ganzen Familie, als wenn 
sie auf bloße Geldlöhnung gesetzt gewesen wären. In „allen Gerecht— 
samen“ wurden sie durch das Zunftgericht geschützt und dieses er— 
kannte auch in ihren Streitigkeiten miteinander oder mit den Meistern 
zu Recht. Wie die Arbeit so unterlag auch ihr sittliches Leben 
„durch Amtsgebot“ der Überwachung des Meisters, der sich der— 
selben bei Strafe nicht entziehen durfte. Jeder Geselle mußte abends 
zu einer bestimmten Stunde, gewöhnlich um neun oder zehn Uhr, 
zu Hause sein; keiner durfte über Nacht ausbleiben, keiner eines 
anderen Meisters Gesellen oder Jungen mit sich heimbringen oder 
gar über Nacht behalten. Das Spielen, namentlich das Würfelspiel, 
war streng untersagt; manchmal wurde schon, wer mehr als einmal 
in der Woche im Wirtshaus gewesen, bestraft. War einer wegen 
schlechten Betragens von seinem Meister entlassen worden oder von 
diesem nicht „in Freundschaft geschieden“, so fand er bei einem 
anderen Meister keine Aufnahme. In der Kleidung mußte stets 
der äußere Anstand gewahrt werden, „wie es die Ehre des Hand— 
werks verlangt“. Als „freie Leute“ trugen die Gesellen so gut wie 
die Meister Degen und andere Waffen und die Schwerttänze, welche 
beispielsweise die Schustergesellen zu Frankfurt a. M. und die Messer— 
schmiedegesellen zu Nürnberg zur Fastnachtszeit aufzuführen pflegten, 
gaben einen Beweis von ihrer Übung im Gebrauche der Waffen. 
In Frankfurt a. M. sah sich der Rat im Jahre 1511 wegen vor— 
gekommener Raufhändel zu der Verordnung genötigt, „daß hinfüro 
kein Meister oder Knecht des Schuhmacherhandwerks Schwert, lange 
Messer oder Degen“, die länger seien, „denn von Alters ein Maß 
zu Frankfurt gegeben und an dem Römer verzeichnet ist“, tragen
	        
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