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Komm, setz dich da ans Fenster auf die Truhe
Und gib mir deine Hand, wie einst beim Stollen
Vor 13 Jahren. Komm und laß das Schmollen;
Wir müssen doch zu unser aller Frommen
Heut über'n Franz einmal in's Klare kommen.
Das Lungern sag' ich, soll ein Ende finden!
Ich muß den ganzen Tag im Schacht mich schinden,
Ich kann den Schlingel nicht im Aug behalten,
So mußt du, Tini, denn mit Strenge walten.
Du mußt an Pflicht und Ordnung ihn gewöhnen,
Die Fehler rügen, nicht sie noch beschönen,
Und über alles muß die Schule stehn!
Da gibt's kein Deuteln, Tini, und kein Dreh'n;
Auch keine Stunde hat er auszulassen,
Zu lernen hat der Franz und aufzupassen,
Stets pünktlich seine Schreiberei'n zu machen,
Und deine Pflicht ist's, über ihn zu wachen,
Daß er auf rechten Wegen sich erhalte,
Und darauf gib mir einen Kuß, komm, Alte!“
Zum Küssen ist es aber nicht gekommen.
Ich lag im Bett, hatt' alles dies vernommen
Und sah jetzt auch, wie sich die Mutter spreizte;
Warum sie so mit ihrem Kusse geizte,
War's Eigensinn, war es Verlegenheit?
Und grad schien mir so schön der Vater heut,
Sein Auge strahlte in verklärtem Licht —
O, diesen Morgen, den vergeß ich nicht! —
Der Vater war verstimmt vom Haus gegangen.
Ich hatte mir die Schultasch umgehangen
Und ging, es war noch früh am Tage,
Zum Kreuzelstein. Ihr kennt die Lage?
Nach Westen liegt das Dorf und rechts auf schwarzer Fläche
Das Steigerhäuschen mit der Franzenszeche.
Noch blitzten Perlen Taus auf jedem Hälmchen,
Den Schloten rings entstiegen Silberquälmchen,
Vom Himmel klang der Lerchen Jubelweise
Und feierlich von fern ein Glöckchen leise.
Da plötzlich, horch, es bebten meine Glieder —
Gellt von der Zeche her ein Schrei — jetzt wieder.