Der Hahn.
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Kalkdüngung stattfinden. Wo der Boden nach starkem Regen zu—
sammenfließt und zur Krustenbildung neigt, wo sich rostfarbige
Körner oder Bänder oder Streifen von Eisenschuß im Untergrunde
vorfinden, wo bräunliches Wasser zu Tage tritt, wo auf Wiesen
und zwischen dem Klee der kleine Sauerampfer, auf Feldern die
Wucherblume zahlreich wächst, da fehlt es an Kalk.
Rodig. Mach: Stutzer [Düngerlehre. Leipzig, Voigt], v. d. Goltz u. O. Kellner).
91. Der Hahn.
1. Je stiefmütterlicher das Huhn bedacht ist, um so bedeutender
tritt dagegen der Hahn hervor. „Besser einen Tag der Hahn sein,
als einen Monat die Henne,“ heißt es im serbischen Sprichwort,
Uund die Kunstsprache der Zigeuner und Diebe, welche diese letztere
nur schlechtweg „Steffen“ heißt, nennt jenen respektvoll und mit fast
empfindsamem Anflug „Holder⸗Kauz“; aber auch unser Volk sagt
wohl, um hohe Geltung und unbeengtes Gebaren zu bezeichnen:
„Er ist Hahn im Korbe“. Der Hahn war schon der alten Sagen—
dichtung ein willkommner Stoff. Das Feuer seiner Farbe und
seines Blickes machten ihn dem Deutschen zu einem Gegenstande
der Verehrung. Er ist das Symbol der Flamme, Lokis, des Feuer⸗
gottes, furchtbar⸗prächtiger Vogel. Wenn er seine Schwingen zum
Fluge entfaltet, schlagen Brande unter ihm auf. Deshalb gilt noch
heute für Brandstiftung der Ausdruck: „den roten Hahn aufs Dach
setzen“, und daß Luzifer, wenn er das Kavalierkostüm anlegt, die
Haͤhnenfeder auf den Hut steckt, mag sich ebendaher schreiben. Seiner
Klugheit und Tapferkeit eingedenk, weihten die Römer diesen
Vogel dem Mars und der Minerva, wie er ja auch bis vor kurzem
das Wappenbild der kriegslustigsten aller europäischen Nationen
war.
2. Des Hahnes hohen Sinn verrät schon das reiche Kleid.
Goldhahn ist ein stolzer Ritter, trägt ein Wams orangefarben,
goldnen Panzer, bunte Flitter, grüner Federn volle Garben.
Doch der Henne höchst vor allem will am Haupt der rote Kamm,
will am Fuß der Sporn gefallen, kühn zum Koampf gekrümmt und stramm.
Es wölbt sich seine Brust wie ein Harnisch, sein Bart brennt wie
Feuersglut, sein Blick strahlt Kühnheit, sein Wandel ist stolzer Würde
doll. Wahrlich, zum Herrschen ist der Hahn geboren und jeder Zoll
an ihm ein König. Er ist der Fürst der Vögel. Langsam und ge—
Nessen hebt er Fuß um Fuß empor, oft mitten im Schritt noch zögernd,
das Auge achtsam hierhin und dorthin gewendet, daß ihm nichts
entgehe. Zieht er durch ein Tor, unter dem ein Reiter hindurch
könnte, so bückt er doch das Haupt, des Kammes Zierde nicht zu
schädigen: so sehr fühlt er die innere Hoheit. Er gehe oder stehe,
immer zeigt er die edle Art. Wie gedankenvoll erhebt er den kun—