Full text: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen im Königreich Preußen

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Diese Gattung von Albionskindern wird nur mit einem roth- 
eingebundenen Murray (ihrem Koran), dann mit Plaid, Regen- 
mantel und Mütze von leichtem carrirten Stoff getroffen. Eine 
solche Mütze ist nämlich zu einer Reise nach dem Festlande unent- 
behrlich, und so weuig Mr. Jones daran denken würde, sich mit 
einer solchen Bedeckung in the Hearing of St Paul's sehen zu lassen, 
ebenso wenig möchte er ohne eine solche den Rhein befahren oder 
sich in einen deutschen Eisenbahnwagen setzen. 
Von London bis Cöln fahren alle diese Mr. Smith's und Jones 
dritter Klasse — von da an aber beginnt für sie das Festland, und 
so lange ihr Geld reicht, sind es lauter Lords. Je unverschämter 
sie sich dabei betragen, desto höflicher und achtungsvoller werden 
sie von den Deutschen behandelt, und würdevoll genießen sie, als 
eine der Land-Früchte, solche ungewohnte Huldigungen. Lieber 
Gott, sie dauern ja überdies nicht lange, und daheim sinken sie 
doch wieder in ihr altes Nichts zurück! 
Der wirklich vornehme Engländer ist indeß bald von diesem 
Auswuchs zu unterscheiden. Wie jeder wirklich vornehme und ge- 
bildete Mann, zeigt er sich überall freundlich und anspruchslos, 
läßt sich — als auf Reisen, gern eine kleine Unbequemlichkeit ge- 
fallen, und schmiert seinen Namen nicht auf jede Bildsäule, an 
jedes merkwürdige Gebäude an, das er erreicht. 
Das Wort »VergnügungsReisender« ist übrigens ein sehr un- 
bestimmter und oft nur eingebildeter Begriff, denn wie selten finden 
solche Reisenden wirkliches Vergnügen unterwegs! Gewöhnlich sind 
sie freilich selber daran schuld, denn mit wenigen Ausnahmen ver- 
bittern sie sich das Reisen so viel als irgend möglich dadurch, daß 
sie an der Straße alle diese Bequemlichkeiten zu finden erwarten, 
ja verlangen, die sie daheim verlassen haben. Eine Unmasse Gepäck 
erschwert dabei jede ihrer Bewegungen und vertheuert ganz unnützer 
Weise ihr Fortkommen. Ebenso wenig mögen sie sich an die Spei- 
sen und Getränke des fremden Landes gewöhnen und sind außer 
sich, wenn sie das dem Boden Ungewohnte schlechter als zu Hause 
bekommen und theurer bezahlen müssen. 
Ein Franzose z. B., der nach London kommt, fordert ohne Wei- 
teres Suppe und Bordeaux fo gut wie daheim; der Engländer in 
Paris dagegen Beefsteak und Ale. Beide müssen dafür doppelte 
Preise bezahlen und können das Bestellte kaum genießen, und diesen 
Fehler begehen die meisten »Vergnügung^ Reisenden«, von welchem 
Lande sie auch immer kommen. 
So, mit harten Betten und theueren Preisen, zerbrochenen 
Rädern, versäumten Zagen, mit schlechtem Wetter und vergessenen 
Reisesäcken, verlorenen Schlüsseln, heillosen Paßscherereien und 
zahllosen anderen Reisetrübsalen, kämpfen sie sich durch die Zeit, 
die sie zu ihrer »Vergnügungs-Reise« bestimmt hatten, und sind 
Geogr. Bilder I. Ste Aufl. 30 
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