Full text: Deutsches Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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Artschaften, ein Blick auf die frischen, heiteren Gesichter, und unsere 
Stiminung gibt der der Winzerinnen nichts nach. 
Vor uns, auf sanft anstrebendem Hügel, in fast peinlicher 
Ordnung und in gleichmäßiger Entfernung voneinander stehen die 
Weinstöcke, schon halb der rauhen Witterung ihren Tribut zollend, 
zum Teil haben sie das Saftgrün ihres Blätterschmuckes mit einem 
satten Gelb vertauscht. Über die Weingärten hinaus ragt der zinnen— 
geschmückte Bergfried eines mittelalterlichen Burgrestes. Eine der 
Winzerinnen kommt uns entgegen und reinigt uns mit Weinblättern 
die Stiefel, eine Sitte, die sich in den rheinischen Weinbergen jeder 
Eindringling gefallen lassen muß; eine klingende Gabe scheucht sie 
wieder hinweg, und fröhliches Gelächter aller Winzerinnen bekommen 
wir in den Kauf. Von dem Jubel der Neckenden begleitet, wandern 
wir hin und her auf dem Berge, hier und da zwar in Gefahr, unsere 
Fußbekleidung im erweichten Boden zu verlieren, aber heiter angeregt 
durch die wechselnden Vorträge von Liedern, in denen der Rhein und 
das rheinische Leben anmutig besungen werden. 
Die freudige Stimmung während des Geschäfts der Lese herrscht 
überall. Aus der Nachbarschaft kommen Weinbergsbesitzer, kosten und 
prüfen Trauben und Most. An den fahrbaren Wegen stehen große 
Bottiche, in die der Inhalt der sogenannten Legel entleert wird. 
Letzteres sind unten spiß zulaufende, oben breitere Holzbütten, die an 
zwei festen Lederriemen auf dem Rücken getragen werden und neunzig 
bis hundert Pfund Trauben fassen. Je nach der Ortlichkeit werden 
diese schweren Lasten auch häufig bis hinunter ins Kelterhaus ge— 
schleppt. Vorher bearbeitet der Träger mit zwei Mostkolben im 
Legel selbst die ganze Traubenmasse. Es bildet sich eine braungelbe 
und dunkelrote, nichts weniger als klare Brühe, die dann in die 
Vottiche geschüttet wird. An einzelnen Stellen werden die Trauben 
auch, statt in den Legeln bearbeitet zu werden, in einem großen Bottich 
von Winzern mit huüfthohen Stiefeln getreten und geknetet. Da die 
Mostbrühe nicht lange in den Bütten mit den Trauben zusammen— 
stehen darf, sondern sofort vollständig bearbeitet sein will, so geschieht 
das Geschäft des eigentlichen Kelterns häufig des Nachts. Die schweren 
Balken der Kelter wreiben den Rebensaft bis auf den letzten Rest aus 
den Beeren heraus. Einladend sieht der junge Most, der nun in 
großen Fässern in den Keller gebracht wird, nicht aus. Bis derselbe 
als goldheller oder dunkelroter Wein auf unsern Tisch kommt, hat 
er noch verschiedene Gärungs- und Währungsprozesse durchzumachen. 
Gegen Abend ertönen vom rechten Rheinufer Flintenschüsse hin— 
über zum Zeichen, daß das Lesegeschäft für heute beendet ist. Die 
Weingarten bleiben die Nacht über, vom „Wingertschuß“ bewacht, ge 
schlossen. Auf der linken Rheinseite wird zur Offnung der Weingärten 
morgens sieben Uhr und zum Schluß abends etwa sechs Uhr das 
Zeichen mit den Kirchenglocken gegeben. Schüsse und Glockenschläge 
mischen sich mit dem Jauchzen der heimkehrenden Winzer, das Echo
	        
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