Full text: Deutsches Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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So geht es in langer Reihe fort; bald folgen die Städte und 
Kreise. Schievelbein, damals der kleinste und ärmste Kreis Preußens, 
war der erste, welcher anzeigte, daß er 30 Reiter stelle, ausrüste, auf 
drei Monate besolde; Stolp war eine der ersten Städte, welche 
meldete, daß sie zur Ausrüstung der freiwilligen Jäger 1000 Taler 
sogleich und fortan jeden Monat 100 zahle, Stargard hatte zu dem— 
selben Zweck schon am 20. März 6169 Taler und 1170 Lot Silber 
gesammelt, ein einzelner Gutsbesitzer hatte 616 Lot gegeben. Immer 
größer und zahlreicher werden die Angebote, bis die Einrichtung der 
Landwehr den Kreisen volle Gelegenheit gibt, ihre Hingabe in dem 
eigenen Bezirk zu betätigen. 
Wer nicht selbst ins Feld zog oder einen seiner Familie aus— 
rüsten half, der suchte durch Gaben dem Vaterlande zu helfen. Be— 
amte verzichten auf einen Teil ihres Gehalts, Leute von mäßigem 
Wohlstand geben einen Teil ihres Vermögens, Reiche senden ihr 
Silbergeschirr. Armere tragen ihre silbernen Löffel herbei; wer kein 
Geld zu opfern hat, bietet von seinen Habseligkeiten, seiner Arbeit. 
Wie der Stand und der Lebenskreis, so machte auch das Bekenntnis 
keinen Unterschied. Unter den ersten, die eine reiche Gabe auf den 
Altar des Vaterlandes niederlegten, war der Älteste der Berliner 
Judenschaft. Witwen, arme Invaliden, Dienstboten gaben wetteifernd 
ihr Scherflein, Landleute schenken Pferde, Gutsbesitzer Getreide, 
Kinder schütten ihre Sparbüchsen aus. Da kommen 100 Paͤar Strümpfe, 
400 Ellen Hemdenleinwand, Stücke Tuch, viele Paar neue Stiefel, 
Büchsen, Hirschfänger, Säbel, Pistolen. Ein Förster kann sich nicht 
entschließen, seine gute Büchse wegzugeben, wie er in lustiger Gesell— 
schaft versprochen hat, und geht daher lieber selbst ins Feld. 
Es waren Tage, welche die Schmach und das Elend vieler 
Jahre vergessen ließen. Was für ein Volk, in dem unter Druck 
und Leiden sich ein so köstlicher Schatz von menschlicher und bürger— 
licher Tugend erhalten hatte! Nach Gustav Freytag. 
9. Teodor Lörner an seinen Vater. 
Wien, am 10. Muræe 18138. 
Liebster Vater! Ich schreibe Dir diesmoul in einer Angelegen 
heit, die, wie ich das feste Vertrauen eu Dir habe, Dich uweder 
befremden, noch erschrecken wird. Neulich schon gab ich Dir 
einen Wink iber mein Vorhaben, das jetet aur Roife gediehen 
ist. — Deutschland steht auf; der preussisohe Adler eriveclit in 
allen treuen Heræon durch seine hiihnen Pliigelschluge die grosse 
Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen Proihæeit. 
Ueine Kunmst seufet nach ihrem Vaterlande, — lauso mich ihr 
wirdiger Jünger sein! — Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, 
uill das hier gewonnene gliicldiche und sorgenfreie Leben mit 
FPreuden himwerfen, um, Seis auch mit meoinem Blute, mir eim
	        
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