Full text: Deutsches Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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der Feier der 100jährigen Wiederkehr seines Geburtstages am22. März 1897 
zum Ausdruck. Den Glanzpunkt der Feierlichkeiten bildete die Enthüllung des 
Kaiser Wilhelm-National-Denkmals auf der Schloßfreiheit in Berlin. 
Im Herbst 1898 machte das Kaiserpaar mit einem glänzenden Ge— 
folge eine Reise über Konstantinopel nach Palästina, um der Einweihung 
der Erlöser-Kirche in Jerusalem am 31. Oktober beizuwohnen. Der 
Kaiser wiederholte bei der feierlichen Weihe das Wort seiner Vorfahren: 
„Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen!“ indem er zugleich 
den Wunsch aussprach, daß „in der Heimat wie in der Fremde Goltver 
trauen, Nächstenliebe, Geduld im Leiden und tüchtige Arbeit des deutschen 
Volkes edelster Schmuck bleiben möge“. Als sichtbares Zeichen, daß er 
auch seine katholischen Untertanen mit gleicher landesväterlicher Liebe 
umfasse, schenkte der Kaiser an demselben Tage dem „deutschen katholischen 
Verein vom heiligen Grabe“ ein vom Sultan erworbenes, den Katholiken 
heiliges Grundstück — die „Dormitio Sanctae Virginis“. 
Am 6. Mai 1900 erreichte Kronprinz Wilhelm das Alter von 
18 Jahren und damit die Großjährigkeit und Regierungsfähigkeit. Das 
Fest wurde mit großem Glanz gefeiert. Es erschienen zu der Feier nicht 
nur die Herrscher vieler deutscher Bundesstaaten, sondern auch eine Anzahl 
auswärtiger Fürstlichkeiten. Der Pate des Kronprinzen, der greise Kaiser 
Franz Joseph vonOsterreich, war schon einige Tage vorher zum Besuch 
gekommen. Und da auch der Kronprinz Viktor Emanuel, der jetzige König 
von Italien, zugegen war, so war das Fest zugleich eine Bekräftigung 
des zum Schutze des Friedens errichteten Dreibundes. Das ganze Land 
und besonders die Hauptstadt Berlin — nahm innigsten Anteil an dem 
Freudenfeste des Herrscherhauses. Die Worte, die unser Kaiser bei der Groß⸗ 
jährigkeitserklärung an seinen Sohn richtete, sind nicht nur an sich höchst 
bemerkenswert, sondern berühren auch äußerst wohltuend durch die Wärme 
des Tones, womit der Kaiser seines Vaters, des edlen Kaisers Friedrich, 
gedachte, als er auf dessen Kronprinzenzeit zu sprechen kam. Die Worte lauten: 
„Du tust heute einen wichtigen Schritt ins Leben. Der Rang des Kron— 
prinzen ist durch Deinen hochseligen Großvater, der die längste und 
wichtigste Zeit seines Lebens in dieser Stellung gewesen ist, so emporgehoben, 
daß es der Arbeit eines Lebens und Deiner ganzen Manneskraft bedürfen 
wird, um diese Stellung so zu erhalten, wie sie seit Deinem Großvater im 
Herzen des deutschen Volkes und der Armee fortlebt. Zuerst als Kronprinz 
von Preußen, dann als Kronprinz des Deutschen Reiches, als dieses im 
Jahre 1870/71 zusammengeschweißt war, ragt diese herrliche Gestalt, 
die zuletzt so unsagbar gelitten, in der Geschichte, lebt sie im Herzen des 
Volkes als der Kronprinz par excellence. Das Ansehen, welches Dein 
Großvater der Stellung des deutschen Kronprinzen in der Welt und bei 
seinem Volke verschafft hat, ist für Dich ein Erbteil, welches Du ungeschä— 
digt zu erhalten und zu wahren hast. Mache es Dir klar, daß Du Ddeiner 
ganzen Manneskraft bedarfst, um dieser hohen und schweren Aufgabe ge— 
recht zu werden!!“ 
Wie im Leben eines jeden Menschen Glück und Unglück abwechseln,
	        
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