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Reichstag. Art. 20—32. Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten
Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorn Es verben n Preußen 235, in
Bayern 48, in Sachsen 23, in Württemberg 17, in Elsaß-Lothringen 15, in
Baden 14 in Hessen 9, in Mecklenburg⸗Schwerin 6, in Oldenburg, Braunschweig,
Sachsen⸗Weimar und Hamburg je 3, in Sachsen⸗Meiningen, Sachsen-Koburg⸗
Gotha und Anhalt je 2 Abgedroͤnete, in den übrigen Bundesstaaten je 1 Ab⸗
geordneter gewählt. Die Gesamtzahl der Abgeordneten beträgt demnäch 397.
Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag. Wenn ein Reichs⸗
tagsmitglied ein Reichs⸗ oder Staatsamt annimmt oder eins mu höherem Rang
oder Gehalt verbundene Beförderung erfährt, so verliert es Sitz und Stimme im
Reichstag und kann beides nur durch Neuwahl wieder erlangen. Die Verhand⸗
lungen des Reichstags sind öffentlich. Wahrheitsgetreue Berichte über dieselben
bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei Der Reichstag hat das Recht, Gesetze
vorzuschlagen und an ihn gerichtete Pelitionen dem Reichskanzler zu überweisen.
Die Legislaturperiode des Reichstags dauertes Jahre; zur Auflösung des Reichs—
tags während dieser Zeit ist ein Beschluß des Buͤndesrals und die Zustimmung
des Kaisers erforderlich. Im Falle der Auflösung müssen binnen 60 Tagen die
Wähler, und binnen 90 Tagen der Reichslag versammelt werden. Ohne Zu⸗
stimmung des letzteren darf eine Vertagung 30 Tage nicht übersteigen und während
derselben Session nicht wiederholt werden. Der Reichstag prüft die Legitimation
seiner Mitglieder, regelt seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung und
wählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer. Er beschließt
nach absoluter Stimmenmehrheit. Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Au—
wesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich. Die
Mitglieder sind Vertreter des gesamten Volkes und an Aufträge und Instruktionen
nicht gebunden. Kein Mitglied darf wegen seiner Abstimmung oder Rede gericht⸗
lich oder disziplinarisch verfolgt werden. Ohne Genehmigung des Reichstags kaun
kein Mitglied während der Sitzungsperiode zur Untersuchung gezogen werden.
Auf Verlangen des Reichstags wird jede Untersuchungshaft gegen ein Mitglied
für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben. Die Mitglieder dürfen als solche
keine Besoldung beziehen.
Zoll- und Handelswesen. Art. 33—40. Deutschland bildet ein Zoll⸗
und Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Alle Gegenstaͤnde,
welche im freien Verkehr eines Bundesstaates befindlich sind, bönnen in jeden
andern Bundesstaat i werden. Das Reich ausschließlich hat die Gesetz⸗
gebung über das gesamte Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundesgebiet
gewonnenen Salzes, Tabaks, Branntweins, Biers und Rübenzuckers ꝛca Die Er
hebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern bleibt jedem Bundes⸗
staate innerhalb seines Gebiets überlassen. Der Kaiser überwacht die Einhaltung
des gesetzlichen Verfahrens durch Reichsbeamte. Der Ertrag der Zölle und Reichs—
steuern fließt nach Abzug der Erhebungs-⸗ und Verwaltungskosten in die Reichskasse.
Eisenbahnwesen. Art. 4147. Eisenbahnen, welche im Interesse der
Verteidigung Deutschlands oder des Verkehrs notwendig sind, können durch Reichs—
gesetz für Rechnung des Reiches angelegt werden.
Post- und Telegraphenwesen. Art. 48—52. Das Post⸗ und Tele⸗
graphenwesen werden für das gesamte Gebiet des Deutschen Reichs als einheit⸗
liche Staatsverkehrsanstalten verwaltet. Die Einnahmen sind für das ganze Reich
gemeinschaftlich. Die Überschüsse fließen in die Reichskaffe Dem Kaiser gehört
die obere Leitung der Verwaltung zu. Die Anstellung der oberen Beamten
. B. der Direktoͤren, Räte, Inspektoren, Kontroleure ꝛe.) steht dem Kaiser zu.
Die an Betriebsstellen fungierenden Beamten werden von den betreffenden Landes⸗
regierungen angestellt. Dem Reiche steht die Gesetzgebung über die Vorrechte der
Post und Telegraphie, über Poriofreiheit und Posttaxwesen, Gebühren für die
telegraphische Körrespondenz sowie die Regelung des Poft- und Telegraphenverkehrs
mit dem Auslande zu.
Marine und Schiffahrt. Art. 53—55. Die Kriegsmarine des Reiches
ist eine einheitliche unter dem Oberbefehl des Kaisers. Die Öffiziere und Beamen