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maßen auf dem Spiele standen. Bei anhaltend schlechter Witterung, wie
sie besonders den Übergang des Herbstes in den Winter oder des Winters
in den Frühling zu begleiten pflegt, waren die Wege meist geradezu
unbrauchbar, besonders für Frachtfuhrwerk. Hatte sich aber der Reisende
durch alle die Hemmnisse und Gefahren einer kurzen Tagereise durch—
gearbeitet, so wartete seiner in der Nachtherberge nur karge Erholung,
oft noch verbittert durch die Ungeschliffenheit des Wirtes, der seine Gäste
als eine ihm auf Gnade und Ungnade verfallene Beute betrachtete, oder
auch durch die Geringschätzung vornehmer Reisender. Eine etwas raschere
und bequemere Reisegelegenheit bot die Flußschifffahrt. Erst von der
Mitte des 18. Jahrhuͤnderts an wurde von Staats wegen für Anlegung
und Unterhaltung von Straßen gesorgt; doch erhielt z. B. Preußen erst
1787 Kunststraßen oder Chausseen. Aus dem handschriftlichen Bericht
einer im Spätherbst 1712 unternommenen Reise eines Bürgers aus
Schwäbisch-Gmünd nach Ellwangen lernt man die Fährlichkeiten einer
solchen näher kennen. Die Entfernung der beiden Städte von einander
etwa acht Poststunden. Über diese Reise wird nun folgendes
erzählt.
Der Reisende, ein wohlhabender Mann, ging in Gesellschaft seiner
Frau und ihrer Magd am Montag Morgen, nachdem er am Tage zuvor
der Johanniskirche „für glückliche Erledigung vorhabender Reise“ eine
Messe hatte lesen lassen, aus seiner Vaterstädt ab. Er bedient sich eines
ʒweispännigen „Planwägelchens.“ Noch bevor er eine Wegstunde zurück—
gelegt und das Dorf Hussenhofen erreicht hatte, blieb das Fuhrwerk im
Kote stecken, daß die ganze Gesellschaft aussteigen und ‚,bis übers Knie
im Dreck patschend? den Wagen vorwärts schieben mußte. Mitten im
Dorfe Bäbingen fuhr der Knecht „mit dem linken Vorderrad unversehent—
lich in ein Mistloch, daß die Frau Eheliebste sich Nase und Backen an
den Planreifen jämmerlich zerschund“ Von Mögglingen bis Aalen
mußte man drei Pferde Vorspann nehmen, und dennoch brauchte man
sechs volle Stunden, um letztgenannten Ort zu erreichen, wo übernachtet
wurde. Am andern Morgen brachen die Reisenden in aller Frühe auf
und gelangten glücklich beüm Dorfe Hofen an. Hier aber hatte die Reise
einstweilen ein Ende, denn hundert Schritte vor dem Dorfe fiel der
Wagen um und in einen ,Gumpen“ (Pfütze), daß alle „garstig e
wurden, die Magd die rechte Achsel auseinander brach und der Knecht
sich die Hand verstauchte.“ Zugleich zeigte sich, daß eine Radachse ge—
brochen und das eine Pferd am linken Vorderfuß „vollständig gelähmt
worden.“ Man mußte also zum zweiten Male unterwegs übernachten,
in Hofen Pferde und Wagen, Knecht und Magd zurücklassen und einen
Leiterwagen mieten, auf welchem die Reisenden endlich „ganz erbärmig
lich zusamnmengeschüttelt“ am Mittwoch ums „Vesperläuten?“ vor dem
Thore von Ellwangen anlangten. — Bis ins 17. Jahrhundert machte
man die Reisen fast ausschließlich zu Pferde. Allerdings erfahren wir,
daß schon im 15. Jahrhundert die deutschen Hofmeister zu Wagen reisten
imd im 16. wurde dieser Gebrauch bei vornehmen Personen und bei
Geistlichen allmählich häufiger, während sich die Rüstigen beiderlei Ge—
schlechts noch immer lieber der Pferde bedienten. Um 1550 kamen von