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gruppen hinausschauen. Hier entwickelt sich der Ackerbau auf den ebenen
Fluren, hier winken Häfen dem Handel zur Einkehr, hier werden Er—
zeugnisse getauscht, lernen die Menschen sich einander kennen, begegnen
uͤnd mischen sich die Ideen. Fast alle großen Städte sind an der Be—
rührungsgrenze zwischen dem Küstenlande und den Ackerbauregionen er—
richtet; dort saammeln sich die Menschen, weil sich die Interessen der
Menschheit dort zusammenfinden. Die Ackerbaubevölkerungen, die aller—
seßhafteften und vermöge ihrer streng geregelten Lebensweise vorzugsweise
Gewohnheitsmenschen, treten hier in unmittelbare Berührung mit den
Küstenbewohnern, den beweglichsten, thatkräftigsten, reise- und abenteuer—
lustigsten. Dies Zusammentreffen von Menschen von so verschiedenen
Sitten ist eins der wichtigsten Momente in der Geschichte des mensch—
lichen e
EGEs giebt Küstenvölker, dexen Leben eine beständige Wanderung ist
und die den Ocean gleichsam zu ihrer zweiten Heimat gemacht haben.
So zogen die Normannen, die sich ,Könige der See“ nannten, von einer
Küste zur andern, Furcht und Schrecken verbreitend, hier und da endlich
sich feste Wohnpläte suchend. Und ist es anders mit den Söhnen Al—
bions? Verbringen nicht auch sje die größere Hälfte des Lebens an Bord
von Schiffen, auf wogender See, wo sie nur Wolken und Himmelsblau
schauen? Und nicht ebenso die Bewohner der Westseeküsten und Inseln?
Solche Küstenbevölkerungen sind furchtlos; sie trotzen dem Tode unter
tausend Gestalten, sie sind viel zu vertiaut mit den entsetzlichsten Kümpfen
und Gefahren, als daß sie vor Menschen noch zittern könnten. Sie sind
kaltblütig ausdauernd, weil der Kampf mit den Elementen sie jeden
Augenblick herausfordert, und weil zum Siege über die erzürnte Natur
nicht der aufflammende Mut der Begeisteruüng, sondern der zähe der
Überlegung gehört. Ihre Gedanken sind nüchtern und kraftvoll, aber
einförmig wie das Meer, selten sanfter Natur, vielmehr oft gewaltsam
hastig. Als Kinder des Oceans bewahren die seefahrenden Völker in
ihrem Leben gleichsam einen Abglanz jener mächtigen Wogen, auf denen
sie sich von Kindheit an gewiegt haben. Otto Ule.
91. Nahe dem Nordpol.
Die im Norden Amerikas liegenden Polarinseln sind alle
gleich öde und schauerlich. Neun Monate hindurch sind sie durch
gine nie auftauende Eisrinde mit dem Pestlande zu einer Masse
vereinigt, vahrend der Boden so fest wie Eis gefroren ist. Der
kurze Sommer ist zu ohnmächtig, um für das Gedeihen von
Pflanzen etwas thun zu können. Zwergweiden, verkrüppelte
Sträucher, Moose und Flechten sind der ganze Beichtum, und das
Treibholz ist daher ein köstlicher Schatz. Das Tierreich ist nicht
so arm. Das Masser ist mit Fischen, Speck- und Thrantieren
Walfischen, Walrossen, Seehunden u. a.) angefüllt; die Zahl der
Seevögel. besonders der gierigoen Möven und Alken, ist ungebeuer.