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Sekretarius den faulen Heinz bediene? — den Ofen heize — um Gold
zu machen. Die Freude an chemischen Prozessen, an Destillationen in der
Retorte und den Lösungen auf kaltem Wege war vielen gemein; kräftige
Tinkturen wurden an Bekannte verteilt Die Hausfrauen liebten allerlei
künstliche Wasser zu destillieren und in den Frag- und Anzeigeblättern
wurden häufig Medikamente angepriesen: Pillen gegen Podagra, Pulver
gegen Kröpfe, blaues Wasser gegen Viehsterben. Der Eifer, für die Wissen—
schaft zu sammeln, war allgemein geworden; die Knaben begannen
Schmetterlinge aufzuspannen und Käfer zusammenzutragen. Eine Bibliothek
zusammenzubringen, wurde der Stolz des Gebildeten auch in bescheidener
Lage. Für das gesellige Leben der Honoratioren war in den späten
Morgenstunden die Apotheke ein schätzenswerter Mittelpunkt. Dort wurden
bei einem kleinen Glas Aquavitt) Politik und Stadtneuigkeiten besprochen.
Man wußte von jedem Gast, zu welcher Partei er gehörte. Unterdes hielt
dem kleinen Bürgersmann, den Dienstboten und Kindern der alte Aberglaube
ihr Leben umsponnen; kaum gab es ein Haus, welches nicht seine Polter—
stube hatte. Auf den Gräbern, in den Kirchtürmen zeigte sich ein Gespenst;
sogar im Spritzenhause spukte es bevor ein Feuer ausbrach. Zuweilen
wurde geheimnisvolle Wehklage gehört; alte Katzen wuürden als Hhexen
betrachtet und die Erscheinungen Verstorbener, Ahnungen und bedeutsame
Träume wurden mit angstvoller Gläubigkeit erörtert. Immer noch war
das Aufsuchen verborgener Schätze eine wichtige Angelegenheit, keiner
Stadt fehlten glaubwürdige Berichte über Funde, die in der Nähe gemacht
oder durch unzeitig gesprochene Wörter vereitelt wurden. Aber der
verständige Hausvater ist bereits bemüht seine Kinder und Dienstboten über
dergleichen aufzuklären. Unter den Tagesereignissen ist das interessanteste
Unkunft und Abfahrt des Postwagens. Gern bewegt sich der Spaziergänger
um diese Zeit in der Nähe der Post. Die gewöhnliche Landpost ist ein sehr
langsames, unbehilfliches Beförderungsmittel, ihr Schneckengang ist noch
50 Jahre später berüchtigt. Kunststraßen gibt es nirgends in Deutschland;
erst nach dem siebenjährigen Kriege werden neue Chausseen gebaut, auch
diese schlecht. Wer bequem reisen will, nimmt Extrapost. Sorgfältig wird
darauf gehalten zu größerer Geldersparnis alle Plätze zu besetzen, und in
den Lokalblättern, welche seit kurzer Zeit in den meisten größeren Städten
und Residenzen existieren wird zuweilen ein Reisegefährte gesucht. Zu
weiten Reisen werden eigens Wagen gekauft, am Ende der Reise wieder
verkauft. Die schlechten Wege geben den Posthaltern das Recht auch
einem leichten Wagen vier Pferde vorzuspannen. Wer nicht so wohlhabend
t sucht einen Retourwagen); solche Reisegelegenheiten werden mehrere Tage
9 Branntwein.
**) retour, sprich retur — zurück.