Full text: Lesebuch für Mädchenfortbildungsschulen

dis Gipfel der Berge und schauerlich sehwarz sind unteèt ihrem 
Druck die breiten Tannenvwalder, dio den Seeé umsaumen. BEin 
eiserner Hauch zieht über das düstere Bild, aber noch ist alles 
stumm und regungslos. Noch eine Stunde lang, — noch wenige 
Minuten, dann wachen die Lebenskraäste auf, die in dieser Dũsternis 
verborgen sind, der Kampf beginnt. Wie mit rasendem Stobe 
bricht der Sturmwind hervor aus dieser finstern Umwölkung, dort 
ist dio Werkstatt der grollenden Geister. Das heult und jauehezt 
über den See herüber, dab die Wogen mit weiben Kämmen vsich 
baumen, daß es am hellen Tage dunkel wird. Und nun fängt es 
auf einmal zu schneien an, die brütende Stille und der brausende 
sturm sind aufgelöst in ein tausendfaltiges, flockiges Gewirr, — 
der Schnee, unermeblicher Schnee beginnt. 
Stunde um Stunde, Tag und Nacht, ohne Ende und Unterlab 
sinken die weiben Massen; schon am nächsten Morgen ist kein 
Pfad mehr sichtbar und so geht es weiter. MWMie die Elut bei 
Überschwemmungen steigt und wachst, vachst der Schnee auf der 
armen Erde; die Baume brechen, die Dacher stöhbnen und können 
ihn nicht mehr tragen. Der Mensech aber sitzt sehlaflos in seiner 
Kammer und lauscht dom Sturm. Wie mag es jetzt erst hrausen 
auf dem Meer! Das ist derselbe Nord, der gestern noch die Wogen 
des Ozeans emporgetürmt hat und heute jauehzt éèr um die Fels. 
zacken der Berge und legt in ihren verborgenen Klüften die Grüße 
und das Geheimnis des Meeres nieder, 
Eine volle Woche lang wütet diesor Kampf der Eleèments, 
immer neuer Schnee, immer neuer Sturm; haushoch steigen die 
weiben Mauern und die niedere bleierne Luft lastet darauf wie 
der Deckel auf einem ungeheuren Sarge. VWird es nochmals ge 
lingen ihn zu sprengen oder zu lüften? Nein! heult der Sturm, 
der über die weibe Plache jagt und mit Riesengewalt den Deckel 
niederhält, bis das zuckende, ssträubende Leben, das drunten im 
Schnee sich regt, verhaucht ist. All dies leiss VWimmern und 
sStöhnen wird von seinem Geheul übertönt; Hunderteé müssen zu 
grunde gehen, ehe der Winter in den Bergen siegt. So kommt 
der siebenteo Tag, daß es ohne Unterlaß schneit und stürmt. Da 
ondlich tritt die Ruhe ein, der Wind verstummt, der Himmel, dor 
so niedrig war, daß man sich unter ihm schier bücken mochte, 
beginnt sich wieder hoch und lüftig zu wölben, das erste Blau, die 
orsto Sonne glänzt; aber drunten liegt einé stumme, schnee- 
begrabene Welt! Es ist vollbracht. Der Winter hat seine Herr- 
schaft egrobert und nun ist sie sein eigen. Schweigend tragt die
	        
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