Object: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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Rom: der damalige Papst Johann XXIII. that ihn in den Bann. 
Das vermehrte die Zahl und den Eifer seiner Anhänger. 
Damals gab es zu gleicher Zeit drei Päpste, die sich einander 
verdammten und verfluchten und die ganze Christenheit mit dem In¬ 
terdikt belegten, d. h. es durfte kein Gottesdienst gehalten, keine 
Glocke geläutet, keine Ehe eingesegnet werden u. dgl. Diesem Ärger¬ 
niß ein Ende zu machen, veranlaßte der Kaiser Sigismund ein all¬ 
gemeines Concil, das im Jahre 1414 zu Kostnitz oder Konstanz 
am Bodensee sich versammelte. Zuerst wurden die drei Päpste abgesetzt 
und dann sollte Huß vernommen werden. Dem hatte der Kaiser Si¬ 
gismund freies Geleit versprochen, und er sollte sich frei verantworten 
dürfen. Aber kaum war er am 3. Nov. angelangt, so wurde er ge¬ 
fangen gesetzt. Man forderte, er solle widerrufen, und da er die 
Wahrheit nicht verleugnen wollte, so wurde er verurtheilt, als Ketzer 
lebendig verbrannt zu werden. Vergebens berief er sich auf das kai¬ 
serliche Geleit. Einem Ketzer dürfe auch der Kaiser nicht Wort halten, 
behaupteten die Kirchenlehrer. Nun stieg er, geschmückt mit einer pa- 
piernen Kappe, auf welcher Teufel gemalt waren, mit gläubigem Muthe 
auf den Scheiterhaufen, sing mit Heller Stimme an zu singen und 
starb betend. Seine Asche wurde in den Rhein verstreut. Das ge¬ 
schah am 6. Juli 1415; sein Geburtstag war auch sein Todestag. 
„Jetzt bratet ihr eine Gans (Huß), aber nach hundert Jahren 
wird aus meiner Asche ein Schwan aufsteigen, den werdet ihr nicht über¬ 
mögen" — soll der heilige Märtyrer geweissagt haben. Ein Jahr darauf 
wurde daselbst auch Hieronymus von Prag verbrannt (30. Mai). 
Als man die Anhänger dieser Wahrheitszeugen mit den Waffen über¬ 
wältigen wollte, brach der schreckliche Hussitenkrieg aus (1420—1434), 
der Deutschland verheerte und nur dadurch zu Ende gebracht werden 
konnte, daß der Papst den Husstten den Genuß des Kelches im h. 
Äbendmahle gewährte. — Die wahren Anhänger des Huß sonderten 
sich später (1457) ab, nannten sich Brüder, und suchten nach dem 
Vorbilde der apostolischen Gemeinde zu leben. 
In Deutschland wurde seitdem das Verlangen nach einer „Reforma¬ 
tion der Kirche an Haupt und Gliedern" immer dringender und 
allgemeiner. Aber es wurde nur zu bald offenbar, daß eine solche von 
Päpsten und Kirchenversammlungen nicht zu erwarten sei. Auch 
war das Verderbniß so allgemein und so tief eingewurzelt, daß es mit 
Beschlüffen und Gesetzen nicht beseitigt werden konnte; es mußte gründ¬ 
lich geholfen werden, das Maß erst voll und die Zeit erfüllet sein. 
36. Erfindung des Schießpulvers und der 
Buchdruckerkunst. 
(1350. —1440.) 
Zwar soll in Deutschland schon im 12. Jahrhundert das Pulver 
zur Sprengung des Gesteins im Harz gebraucht worden sein. Damit 
war es aber noch nicht für den Krieg erfunden und also eigentlich
	        
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