Full text: (Für Septima) (Abteilung 2, [Schülerband])

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VI. Aus der Welt der Märchen und Fabeln. 
Noch ganz voll von seinem Glücke, erzählte der Holzhauer den 
Vorfall seinen Kameraden. ,Äalt/ dachte einer derselben, ,das werd' 
ich auch einmal versuchen; warum sollte mir's nicht auch gelingen, durch 
die Güte des Gottes reich zu werden?< Er trat also an den Fluß, 
schleuderte seine Axt hinein, setzte sich ans Äser und erhob ein Klage¬ 
geschrei. Alsbald erschien auch ihm der Gott und fragte, was er jam¬ 
mere. Kaum hatte er. es vernommen, so sprang er in den Strom, 
holte auch diesmal eine goldene Axt heraus und hielt sie dem entzückten 
Holzhauer vor die Augen. „War's nicht diese," fragte er, „die dir 
abhanden kam?" „Wahrlich, die ist's!" rief der Begierige und streckte 
die Land aus. Der Gott aber wandte voll Abscheu dem schamlosen 
Lügner den Rücken, und dieser mußte nicht nur der goldenen Axt lüstern 
nachsehen, sondern erhielt auch nicht einmal seine eigene zurück. 
158. Das Christbäumchen. 
Von Georg Wilhelm Curtman. 
Die Bäume hatten einmal Streit untereinander, welcher von ihnen 
der vorzüglichste sei. Da trat die Eiche hervor und sagte: „Seht mich 
an, ich bin hoch und dick und habe viele Äste, und meine Zweige sind 
reich an Blättern und Früchten!" — „Früchte hast du wohl," sagte 
der Pfirsichbaum, „aber es sind nur Früchte für die Schweine, die 
Menschen mögen nichts davon wissen. Ich liefere dagegen meine rot¬ 
backigen Pfirsiche auf die Tafeln der Könige." — „Das hilft nicht 
viel," sagte der Apfelbaum, „von deinen Pfirsichen werden nur wenige 
Leute satt, auch dauern sie nur einige Wochen, dann werden sie faul, 
und niemand kann sie mehr brauchen. Da bin ich ein anderer Baum, 
ich trage alle Jahre Körbe voll Äpfel, die brauchen sich nicht zu schämen, 
wenn sie auf eine vornehme Tafel gesetzt werden. Aber sie machen 
auch die Armen satt, man kann sie den ganzen Winter im Keller auf¬ 
bewahren, man kann sie im Ofen dörren oder Wein daraus keltern. 
Ich bin der nützlichste Baum." — „Das bildest du dir ein," sagte die 
Tanne, „aber du irrst dich. Mit meinem Äolze heizt man die Öfen 
und baut die Ääuser, mich schneidet man zu Brettern und macht Tische, 
Stühle, Schränke, ja, sogar Nachen und Schiffe daraus, dazu bin ich 
im Winter nicht so kahl wie ihr, ich bin das ganze Jahr hindurch grün 
und schön." — „Das nämliche bin ich auch," sagte die Fichte, „allein 
ich habe noch einen Vorzug. Wenn Weihnachten wird, dann kommt das 
Christkindchen, man setzt mich in ein schönes Gärtchen und hängt goldene 
Nüsse und Äpfel, Mandeln und Rosinen an meine Zweige. And über 
mich freuen sich die Kinder an: allermeisten. Ist das nicht wahr?"
	        
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