Full text: [Teil 3 = Klasse 7, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7, [Schülerband])

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der glänzenden und ehrenvollen Verteidigung, wurde die Forderung 
bewilligt. Neugierig pflanzten sich sämtliche Spanier unten am Turm 
auf, um endlich ihre tapferen, geheimnisvollen Feinde von Angesicht zu 
Angesicht zu schauen. Die Trommeln wirbelten, jetzt sollte die feierliche 
Übergabe stattfinden. Man hört mühsam einen Schlüssel sich drehen, 
eine Türangel knarrt, die Turmtür oben tut sich auf, eine Leiter senkt 
sich hernieder, und die Besatzung klettert würdevoll die Sprossen herunter: 
ein alter, bärtiger Feldwebel voran, ihm folgte sein Weib und nach dem 
Weibe eine dürre Geiß, niemand mehr und niemand weniger! Diese 
drei waren die einzigen Insassen des Turmes gewesen. Oben auf dem 
Turm war ein Grasplätzchen, und einige Sträucher waren aus der 
Mauer entsprossen; von dem Laube, dem Grase und dem aufgefangenen 
Regenwasser lebte die Ziege, und die Milch, welche dies nütliche Tier 
spendete, stillte in Verbindung mit dem mäßigen Eßvorrat Hunger und 
Durst des biederen Ehepaares. Endlich hieß es: die Alp ist abgeweidet! 
Immer dürrer wurde das segenspendende Tier, auch immer spärlicher 
das Pulver, und so entschloß man sich und hißte die weiße Flagge auf. 
Die Spanier wußten lange nicht, ob sie lachen oder sich für verhöhnt 
ansehen sollten; doch ihr Oberster entschied, daß den drei Tapfern nichts 
Böses geschehen solle, denn sein Wort müsse er halten. 
34. Der Mönch zu Heilterbach. Von Rarl Helssel. 
Sagen und Geschichten des Rheintals von Mainz bis Cöln. Bonn 1904. 8. 210. 
Kloster Heisterbach war einmal ein Mönch, der grübelte immer— 
während über die Ewigkeit und Unendlichkeit und konnte nicht be— 
greifen, daß es im Psalmwort heißt: „Tausend Jahre sind vor dir wie 
der Tag, der gestern vergangen ist.“ Einmal wandelte er wieder, in 
solche Gedanken versunken, im Klostergarten. Da hörte er ein Vöglein 
singen, so schön, wie er nie zuvor eins gehört hatte, und sah es von 
Ast zu Ast hüpfen, immer singend. Diese süßen Töne nahmen ihn so 
gefangen, daß er seiner Grübeleien vergaß und dem Vöglein langsam 
nachging, zur offenen Pforte in der Klostermauer hinaus, immer tiefer 
in den Buchenwald hinein, den man auch den Heisterbacher Mantel 
nennt. Endlich dachte er, es sei jetzt Zeit umzukehren, denn es dunkelte 
schon, und die Stunde der Abendmahlzeit, meinte er, müsse schon ge— 
kommen sein. Da kehrte er um, aber das Törchen in der Mauer war 
verschlossen, und er machte den weiten Bogen außen um die Kloster— 
mauer herum. Wie er an das eigentliche Tor kam — sonderbar! Das 
sah ganz anders aus als sonst, und der Bruder Pförtner hatte auch 
ein ganz anderes Gesicht. Der sah ihn erstaunt an und fragte ihn, was 
er wolle, und wer er sei. Da merkte er, daß seine Schritte klein waren 
und sein Gang schwankend, seine Haltung gebückt und sein Bart lang
	        
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