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Es keimte und sproßte, und ein rosiger Blütenschnee
senkte sich auf Baum und Strauch.
Die gefiederten Sänger kehrten von ihrem Winter¬
aufenthalt wieder zurück, aus den Lüften erklang
Lerchenton, und in Feld und Hain verkündete die Nachti¬
gall den Blumen die Ankunft ihrer Königin, der Blumen¬
fee. Einen neuen Hofstaat wolle sich die Königin aus
ihren Lieblingen erwählen, und alle Blumen würden ge¬
laden, auf der Waldwiese zu erscheinen. Der Kitter¬
sporn sei für das Amt des Hofmarschalls ausersehen.
2. Von allen Seiten strömten die Kinder des Früh¬
lings herbei, die einen eitel und stolz auf ihren Wohl¬
geruch oder auf ihre farbenprächtigen Gewänder, mit
denen sie alles überstrahlten, die andern schüchtern und
bescheiden in ihren zarten, duftigen Kleidchen.
Als eine der ersten kam die Tulpe und sagte zum
Hofmarschall und berührte dabei bittend seine Schulter
mit ihrem kostbaren Fächer: „Schlagen Sie mich zur
Hofdame vor, edler Rittersporn! Ich bin die Schönste im
ganzen Land! Wer kann sich mit der Pracht meiner Klei¬
dung und meines Schmuckes messen ? Ich ziere jeden Hof !
Alle seine Feste werden erst farbenprächtig durch mich !"
„Eine stolze Blume bist du,“ dachte Hofmarschall
Rittersporn, „aber eitel und ohne Duft.“
„Ich kann kaum erwarten, daß die Königin er¬
scheint,“ redete ihn gleich darauf die Mohnblume hastig
an. „Mich muß sie erwählen! Niemand weiß so schöne
Geschichten zu erzählen wie ich. Ich erfahre alles, was
in Wald und Feld geschieht, zu allererst und mache dann
nette Märlein daraus!“
„Der Himmel bewahre jeden vor dieser Klatsch¬
rose !“ murmelte der Rittersporn.