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ihnen sind die Dramen: „Leben und Tod der heiligen Genovesa" und „Kaiser
Octavianus", die ein verklärendes Bild der Herrlichkeiten des mittelalterlichen
Lebens aufzurollen suchen, einst viel gepriesen worden. Im „Phantasus" sind die
alten Volksmärchen von der schönen Magelone, vom getreuen Eckart, vom Rot-
Läppchen und andere in geschickter Einkleidung erzählt. Von Tiecks Novellen
gehören „Dichterleben", „Der Aufruhr in den Cevennen" und sein letztes Werk
„Vittoria Accorombona" zu den bedeutenderen. Unter seinen kleineren Gedichten
finden sich einige schöne Lieder („Wohlauf, es ruft der Sonnenschein", „Feldein-
wärts flog ein Vögelein") und die Ballade: „Arion schifft auf Meereswogen".
Auch hat Tieck den „Don Quixote" des Cervantes übersetzt.
Von den Brüdern Schlegel hat der ältere, August Wilhelm, geb. 1767, eine
meisterhafte Übersetzung des Shakespeare geliefert, auch spanische, portu-
giesische und italienische Dichtungen geschmackvoll verdeutscht. Was er selbst
gedichtet, ist nicht gerade durch bedeutenden Gehalt, stets aber durch reine, vor-
treffliche Form ausgezeichnet. Seine Romanze: „Arion war der Töne Meister"
wetteifert mit dem eben genannten Gedicht von Tieck um den Preis. — Sein
jüngerer Bruder
Friedrich Schlegel, geb. 1772, hat sich durch geschichtliche Forschung auf dem
Gebiete der Poesie einen berühmten Namen erworben; die Zahl der von ihm ge-
dichteten Lieder ist nicht erheblich.
Den beiden Schlegel und Tieck in enger Freundschaft verbunden war der
srühverstorbene Friedrich von Hardenberg (1772—1801), der sich den Dichternamen
Novalis beilegte. Er feierte in dem unvollendet gebliebenen Roman „Heinrich
von Ofterdingen" die allherrschende Macht der Poesie, sang „Hymnen an die Nacht"
in melodischer Prosa und dichtete eine Anzahl tief inniger geistlicher Lieder
(„Wenn alle untreu werden", „Wenn ich ihn nur habe" ic.), von denen mehrere in
die christlichen Gesangbücher aufgenommen wurden.
Jünger als die bisher genannten Romantiker find Clemens Brentano (geb.
1778) und Achim von Arnim (geb. 1781), die in „Des Knaben Wunderhorn"
eine Sammlung alter deutscher Volkslieder herausgaben, an denen auch Goethe
seine Freude hatte. Brentanos „Geschichte vom braven Kasperl und vom schönen
Annerl" ist die erste und wohl auch eine der besten deutschen Dorfgeschichten. In
seinen „Märchen" hat Brentano köstliche Erzählungen vom Vater Rhein, von den
Nixen und dem krystallenen Schlosse drunten in den grünen Wellen hinterlassen,
„Bilder voll schalkhafter Anmut, traumhaft lieblich wie die rheinischen Sommer-
rtächte". Sein Freund Arnim fand in der Märchenwelt kein Genügen; er schrieb
Novellen und Romane, die eine Fülle von Phantasie zeigen, aber der klaren Ge-
staltung und künstlerischen Abrundung entbehren. — Seine Gattin, Brentanos
Schwester Bettina (geb. 1785), hat in „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde" ihrer
begeisterten Verehrung des großen Dichters in Phantasie- und poesievoller Dar-
stellung Ausdruck gegeben.
Der Baron Fouyus schilderte das kreuzfahrende Rittertum und die Fahrten
altnordischer Recken in phantastischen Romanen, die jetzt vergessen sind. Frisch
aber spricht uns auch heute noch sein liebliches Märchen „Undine" an.
Von den Dichtungen des frühverstorbenen Ernst Schulze ist namentlich die
Erzählung „Die bezauberte Rose" bekannt geblieben, die durch den süßen Wohl-
laut ihrer „seidenweichen Verse" an den alten Minnegesang erinnert.