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deutschen Länder — Schwaben, Bayern und Lothringen — noch in loserem
Zusammenhang umschlossen.
Hatte auch Heinrich schon Otto, seinen ältesten Sohn von Mathilde,
als seinen dereinstigen Nachfolger bezeichnet und die Zustimmung der
Fürsten zu dessen Wahl gewonnen, so war doch die Wahlhandlung selbst
dadurch keineswegs beseitigt, und schon mochten hie und da sich Zweifel
regen, ob es geraten sei, nach dem Willen des Vaters Otto auf den
Thron zu erheben. Manche legten Gewicht darauf, daß Heinrich, der
zweite Sohn, erst nach seines Vaters Thronbesteigung geboren sei, während
Otto, der vorher das Licht der Welt erblickt hatte, nur zum Herzog von
Sachsen bestimmt schien. Der junge Heinrich selbst soll, als ihm Otto
auf dem Reichstage zu Erfurt durch die Wahl des Vaters vorgezogen
wurde, erbittert und voll kindischen Trotzes die Worte gesprochen haben:
„Edleres Blut rinnt in meinen Adern!" So gewiß auch Mathilde den
letzten Willen ihres Gemahls ehrte und die Pflicht der Mutter, den
Frieden zwischen ihren Söhnen zu erhalten, nie aus den Augen ließ, so
gewiß hing doch ihr ganzes Herz an Heinrich, in dem sie das Ebenbild
des Vaters erblickte. Keiner der Jünglinge im Sachsenlande kam ihm,
der eben damals zu den Jahren der Mannbarkeit heranreifte, an Schönheit
gleich; mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit führte er die Waffen,
unermüdlich war er bei Mühen und Anstrengungen, und obwohl er hei߬
blütig und voll brennenden Ehrgeizes war, schien er doch in allem be¬
dachtsam. Wenn ein strenger Ernst, ein finsterer Zug schon von früher
Jugend an seine Stirn umdüsterte, so wußte man, daß er auch das vom
Vater geerbt hatte, dem nimmer ein leichtfertig Wort entflohen war, der
selbst beim Spiele seine gebietende Haltung niemals verloren hatte. Leicht
gewann sich so Heinrich wie einst sein Vater die Herzen der Menschen,
und besonders sah man im Sachsenlande gern auf den fürstlichen Jüng¬
ling, während sein älterer Bruder nicht gleicher Gunst sich erfreute.
Denn in Otto regte sich ein anderer Geist, den die meisten für Stolz
und Hoffart hielten, und den selbst die Mutter lange nicht zu fassen
vermochte. Er zählte erst vierundzwanzig Jahre, doch ahnte man in ihm
schon den Mann, dem ein festes Regiment Bedürfnis war, der Ergebenheit
und Gehorsam unweigerlich verlangte, und der den Thron um mehr als
eine Stufe zu erhöhen gedachte. Mit Selbstgefühl trat er auf, sein Blick
schweifte hoch und weit, und hellstrahlende Tugenden konnte niemand in
ihm verkennen; vor allem mußte unerschütterliches Gottverträuen, felsenfeste
Treue gegen seine Freunde und Großmut gegen gedemütigte Feinde jeder¬
mann an ihm rühmen. Man sah ihn oft heiter und freundlich erscheinen,
er ergötzte sich gern auf der Falkenjagd; da hörte man ihn wohl auf ab¬
gelegenen Pfaden die lieblichsten Weisen singen. Offen trat er jedem
entgegen, niemand zeigte sich weniger mißtrauisch als er. Und doch er¬
weckte seine Nähe mehr Bangigkeit als Vertrauen. Brauste er in