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Auf schlug er seinen Mantel weich:
Hier trag ich der Goten Hort und Reich!
Und habt ihr gerettet Speer und Kron —
Ich habe gerettet des Königs Sohn!
„Erwache, mein Knabe, ich grüße dich,
Du König der Goten, Jungdieterich.“
F. Dahn.
75. Der Untergang des Ostgotenreiches unter Teja.
Am Fuße des Vesuvs standen die Heere der Oströmer und der Goten
unter Führung des Feldherrn Narses und des Gotenkönigs Teja einander
gegenüber. Sie kämpften nur mit Pfeilen aus der Ferne gegeneinander,
außer daß bisweilen Zweikämpfe stattfanden, und sie blieben zwei Monate
in dieser Stellung emander gegenüber. Denn da die Goten ihr Lager
unfern des Meeres hatten, litten sie keinen Mangel, solange sie Zufuhr
zur See erhielten. Als aber ihre Flotte durch Verrat in Feindeshände
geriet und sie anfingen, Mangel zu leiden, zogen sie sich auf den laktarischen
Berg zurück. Bald aber bereuten sie ihren Entschluß; denn noch mehr
gebrach es ihnen hier an Lebensmitteln, so daß sie bald nichts mehr besaßen,
wovon sie sich und ihre Rosse ernähren konnten.
In dieser Not faßten sie einen heldenmütigen Gedanken. Besser,
meinten sie, sei es, in der Schlacht den Tod zu erleiden, als dem Hunger
zu erliegen. Darum warfen sie sich unvermutet in plötzlichem Angriff auf
den Feind. Doch hielten die Römer stand und wehrten sich, so gut es
nur möglich war; denn sie kämpften nicht unter ihren Führern, noch nach
Abteilungen gesondert und in Reih und Glied geordnet. Keiner gehorchte
den Befehlen, die im Kampf gegeben wurden, und wie es der Zufall fügte,
so stürmie jeder mutig dem Feinde entgegen. Darauf stiegen die Goten
von ihren Rossen und stellten sich, das Antlitz dem Feinde trotzig zuge—
wandt, in einer tiefen Schlachtreihe auf. Sobald dies die Römer sahen,
entfernten auch sie ihre Pferde und ordneten sich in gleicher Weise.
Die Verzweiflung erhöhte die Kraft des Gotenheeres; aber auch
die Römer leisteten, obgleich sie sahen, daß der Feind wie im Wahnsinn
focht, mutigen Widerstand, denn sie schämten sich, vor der geringen Zahl
der Feinde das Feld zu räumen. So stürmten beide Teile wutentbrannt
aufeinander ein, die einen, um den Tod zu suchen, die andern, um den
Lohn ihrer Tapferkeit zu gewinnen. Am Morgen begann die Schlacht.
Allen sichtbar, den Schild vorhaltend und die Lanze zum Stoße vorge—
streckt, stand König Teja vor seinem Schlachthaufen. Wenige Waffen—
genossen waren ihm zur Seite.
Als die Roͤmer den König erblickten, meinten sie, der Kampf werde
sogleich ein Ende nehmen, wenn der Führer falle. Daher drangen die
Mutigsten in großer Menge auf ihn ein. Lanzen würden gegen ihn
geschwungen und Wurfgeschosse geschleudert; aber standhaft fing Teja mit
dem deckenden Schilde alle Speere auf und stürzte dann wieder plötzlich
hervor, eine Menge der Feinde erlegend. War der Schild voll von darin
unen Speexen, so gab er ihn seinen Schildträgern und ergriff einen
andern.