— 428 —
und so hat es den Anschein, als ob Sonne, Mond und Sterne sich in
Zeit von vierundzwanzig Stunden in der Richtung von Osten nach Westen
rings um die Erde bewegten, und zwar so, daß dabei kein Stern seine
Stellung gegen den andern verändert.
Diese allgemeine Erscheinung des Sternenlaufes erleidet jedoch bei
fortgesetzter Beobachtung mancherlei Ausnahmen. Hierher gehören zu—
nächst eine große Menge Sterne am nördlichen Himmel. Diese gehen
nämlich in unseren Gegenden gar nicht auf und unter, sondern drehen
sich beständig über dem Horizonte im Kreise umher, so daß man sie bald
unten, bald seitwärts, bald oben von einem gewissen Punkte sieht, der
das ganze Jahr hindurch unbeweglich stille steht. Dieser Punkt, den man
sich vor allen Dingen merken muß, wenn man sich am Himmel zurecht—
finden will, scheint der Mittelpunkt zu sein, um welchen sich überhaupt
alle Gestirne bewegen. Je näher sie ihm stehen, desto kleiner sind die
Kreise, die sie um ihn beschreiben; je entfernter sie von ihm sind, desto
größer werden die Kreise. Man hat diesem wichtigen Punkte den Namen
des nördlichen Weltpols gegeben. Die Stelle, wo er sich befindet, ist
durch einen hellen Stern von mittlerer Größe bezeichnet, der ganz in
seiner Nähe einen äußerst kleinen und für das bloße Auge gar nicht
merkbaren Kreis um ihn beschreibt. Er führt den Namen Polarstern und
wird auf folgende Weise gefunden: Wenn das Auge sich gegen die nörd—
liche Himmelsgegend richtet, so fallen ihm vor allen anderen Gestirnen
sieben helle Sterne auf, welche den sogenannten großen Bären oder den
Himmelswagen bilden. Zieht man nun durch die beiden hinteren Sterne,
welche die Räder des Wagens bilden, in Gedanken eine Linie nach der
Mitte des nördlichen Himmels, so führt dieselbe in ihrer Verlängerung
auf den Polarstern hin, den man leicht daran erkennt, das kein anderer
Stern von gleicher Helle in seiner Nähe steht.
Die Bewegung der um den Nordpol kreisenden Gestirne, welche nie—
mals untergehen, berechtigt uns zu dem Schlusse, daß auch die auf- und
untergehenden Sterne sich in Kreisen bewegen, von denen aber immer der—
jenige Teil unter dem Horizonte verdeckt liegt, den der Stern von der
Zeit seines Unterganges bis zu der seines Aufganges durchläuft. In
gleicher Weise vermuten wir, daß sich dem Nordpol gegenüber ein anderer
unbeweglicher Punkt am südlichen Himmel befinde, um welchen sich eine
Anzahl von Sternen bewegt, welche niemals über unseren Gesichtskreis
heraufsteigen, wohl aber in südlicheren Gegenden sichtbar sein werden.
Und so gewinnen wir die Ansicht, daß uns immer die ganze Hälfte des
Himmelsgewölbes unter dem Horizonte liege, während wir die andere über
demselben erblicken, daß also das Firmament keine halbe, sondern eine
ganze Hohlkugel sei, welche den Erdball rings umschließt.
Eine andere Ausnahme von der allgemeinen Regel des Sternen—
laufes macht eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Himmelskörpern,
welche deshalb zu den merkwürdigsten des ganzen Firmamentes gehören.
Diese Sterne folgen zwar auch der allgemeinen Bewegung des Himmels—
gewölbes und beschreiben täglich einen Kreis um die Erde von Osten
nach Westen. Dabei aber haben sie noch einen eigenen, dem allgemeinen