Full text: Lesebuch für landwirtschaftliche Winter- und Fortbildungsschulen

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und so hat es den Anschein, als ob Sonne, Mond und Sterne sich in 
Zeit von vierundzwanzig Stunden in der Richtung von Osten nach Westen 
rings um die Erde bewegten, und zwar so, daß dabei kein Stern seine 
Stellung gegen den andern verändert. 
Diese allgemeine Erscheinung des Sternenlaufes erleidet jedoch bei 
fortgesetzter Beobachtung mancherlei Ausnahmen. Hierher gehören zu— 
nächst eine große Menge Sterne am nördlichen Himmel. Diese gehen 
nämlich in unseren Gegenden gar nicht auf und unter, sondern drehen 
sich beständig über dem Horizonte im Kreise umher, so daß man sie bald 
unten, bald seitwärts, bald oben von einem gewissen Punkte sieht, der 
das ganze Jahr hindurch unbeweglich stille steht. Dieser Punkt, den man 
sich vor allen Dingen merken muß, wenn man sich am Himmel zurecht— 
finden will, scheint der Mittelpunkt zu sein, um welchen sich überhaupt 
alle Gestirne bewegen. Je näher sie ihm stehen, desto kleiner sind die 
Kreise, die sie um ihn beschreiben; je entfernter sie von ihm sind, desto 
größer werden die Kreise. Man hat diesem wichtigen Punkte den Namen 
des nördlichen Weltpols gegeben. Die Stelle, wo er sich befindet, ist 
durch einen hellen Stern von mittlerer Größe bezeichnet, der ganz in 
seiner Nähe einen äußerst kleinen und für das bloße Auge gar nicht 
merkbaren Kreis um ihn beschreibt. Er führt den Namen Polarstern und 
wird auf folgende Weise gefunden: Wenn das Auge sich gegen die nörd— 
liche Himmelsgegend richtet, so fallen ihm vor allen anderen Gestirnen 
sieben helle Sterne auf, welche den sogenannten großen Bären oder den 
Himmelswagen bilden. Zieht man nun durch die beiden hinteren Sterne, 
welche die Räder des Wagens bilden, in Gedanken eine Linie nach der 
Mitte des nördlichen Himmels, so führt dieselbe in ihrer Verlängerung 
auf den Polarstern hin, den man leicht daran erkennt, das kein anderer 
Stern von gleicher Helle in seiner Nähe steht. 
Die Bewegung der um den Nordpol kreisenden Gestirne, welche nie— 
mals untergehen, berechtigt uns zu dem Schlusse, daß auch die auf- und 
untergehenden Sterne sich in Kreisen bewegen, von denen aber immer der— 
jenige Teil unter dem Horizonte verdeckt liegt, den der Stern von der 
Zeit seines Unterganges bis zu der seines Aufganges durchläuft. In 
gleicher Weise vermuten wir, daß sich dem Nordpol gegenüber ein anderer 
unbeweglicher Punkt am südlichen Himmel befinde, um welchen sich eine 
Anzahl von Sternen bewegt, welche niemals über unseren Gesichtskreis 
heraufsteigen, wohl aber in südlicheren Gegenden sichtbar sein werden. 
Und so gewinnen wir die Ansicht, daß uns immer die ganze Hälfte des 
Himmelsgewölbes unter dem Horizonte liege, während wir die andere über 
demselben erblicken, daß also das Firmament keine halbe, sondern eine 
ganze Hohlkugel sei, welche den Erdball rings umschließt. 
Eine andere Ausnahme von der allgemeinen Regel des Sternen— 
laufes macht eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Himmelskörpern, 
welche deshalb zu den merkwürdigsten des ganzen Firmamentes gehören. 
Diese Sterne folgen zwar auch der allgemeinen Bewegung des Himmels— 
gewölbes und beschreiben täglich einen Kreis um die Erde von Osten 
nach Westen. Dabei aber haben sie noch einen eigenen, dem allgemeinen
	        
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