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Dorflirchlein handelt, ob um die Kathedrale von Reims. Wie selbstverständlich
ist das alles! Welch albernes Gewäsch, auch nur ein Wort darüber zu ver—
lieren! Freilich ist's traurig, wenn dabei Kunstwerke verloren gehen, aber
nach dem Frieden wird Zeit sein, es zu beklagen. Jetzt handelt es sich um
mehr, um Größeres.
Der Krieg kümmert sich nicht um Gesetze, die der Frieden gemacht. Die
Genfer Konvention, die Londoner Seerechtsdeklaration, unsere Feinde halten
sich nur so lange daran, als es ihnen paßt. Und sie zwingen uns, mit gleicher
Münze zu antworten. „Nur zwischen den bewaffneten Mächten wird der
Krieg geführt.“ Wie Hohn klingt's, wenn es aus jedem Hause knallt. Es
ist kein Krieg mehr zwischen Heeren. Es ist ein Ringen der Völker. Jedes
Mittel gilt. Erlaubt ist, was Vorteil verspricht.
Furchtbar ist der Krieg geworden und furchtbar für das unglückselige
Land, das ihm als Schauplatz dienen muß. Die Fluren sind zerstampft, die
Dörfer zerstört. Die männliche waffenfähige Bevölkerung ist gefangen fort—
geführt. Frauen, Kinder und Greise sind in Not und Verzweiflung zurück—
geblieben.
Solch namenloser, stummer Jammer steht in den Augen der Frauen!
— Ihre Männer, ihre Söhne und Brüder stehen im Felde. Seit Wochen, seit
Monaten drang keine Kunde mehr von ihnen herüber. Die daheim wissen
nicht, leben sie noch, sind sie tot oder liegen sie irgendwo krank und ver—
stümmelt, im Elend, unerreichbar der Hilfe und Sehnsucht der Ihren. Seit
Wochen und Monaten keine Nachricht, keine Kunde mehr von der Welt, kein
Brief, keine Zeitung. Zwischen ihnen und den Ihren der eiserne, unerbittliche
Ring der Feinde.
Das Grauen ist durch das Land gegangen und hat sein fahles Zeichen
jedem aufgedrückt, der es geschaut. Die Freude ist verdorrt, das Lachen er—
storben. Stumm ist der Jammer und schrie nur auf zum letzten Male, als
man die waffenfähigen Männer fortführte. Wie schrien da die Frauen! Wie
klammerten sie sich schluchzend an Söhne und Gatten und wollten sie nicht
lassen. Und dann vor der Tür die bleiche Not, die niedrige Sorge um ein
bißchen trocken Brot.
Das ist der Krieg. Weiß Gott, wir haben's nicht gewollt! Gezwungen
nur und zögernd, nach und nach hat die Heeresleitung so strenge Maßregeln
ergriffen. Sie hat nur angeordnet, was unerläßlich ist zur Sicherung
unserer Truppen.
Wehe den Besiegten! Käme je der Feind in unser Land, eine Woge des
Grauens zöge vor ihm her. Unser Eigentum würde geplündert und verwüstet,
unsere Männer gemordet, unsere Frauen geschändet.
Noch ist der endgültige Sieg nicht fest in unserer Hand. Denkt daran,
ihr daheim, wenn der Krieg euch Lasten und Beschwerden auferlegt. Sicher
Nidet auch ihr unter dem Krieg, vielleicht mehr und schwerer als wir ahnen.
Mancher, der seine Dienste dem Vaterland geweiht, der zu gause sich aufreibt
in mühsamem, undankbarem Kleindienst, neidet unser Los, findet es leicht
und herrlich, für das Vaterland zu sterben.
Wohl ist der Tod herrlich im Taumel des Kampfes, im Vollgefühl der
Mannheit, im Rausch des Sieges. Allein, wie vielen ist's beschieden, so zu
sterben im Morgenrot, im Vollbesiz der Kraft. Leicht dünkt der Tod, wenn
lle Säfte des Körpers schwellen. Doch wenn seine Kraft erschöpft ist durch