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Die deutsche Kriegsflotte.
kehrs mit dem Auslande erfolgt zum größten Tel auf dem Wasser—
wege, fällt also der Handelsflotte zu und diese edarf des Schutzes
der Kriegsschiffe, wenn unser Außenhandel sich in sicheren Bah—
nen bewegen und der deutsche Kaufmann auch im Auslande eine
feste und geachtete Stellung einnehmen soll. Besonders in Kriegs—
zeiten muß die Kriegsflotte nicht nur die deutsche Seeküste ver⸗
leidigen sondern auch die Verkehrswege auf dem Meere offen hal—
ten, damit nicht für Industrie und Handel schädliche Störungen
inlreten und die Zufuühr von Lebensmitteln für die deutsche Be⸗
völkerung und für die deutschen Truppen abgeschnitten wird. Seit—
dem Deutschland in die Reihe der Kolonialmãächte getreten ist, muß
auch ausländisches Besitztum dem Mutterlande erhalten bleiben.
Deutschland ist wirtschaftlich so weit erstarkt, daß es den Bau
seines gesamten Schiffsbedarfs selbst übernehmen kann. Es darf
nicht übersehen werden, daß damit vielen Tausenden Verdienst und
Unterhalt gewährt wird. Deutsche Ingenieure entwerfen die Bau—
pläne; deutsche Arbeiter reihen mit emsiger Hand Stück an Stück
und formen so die gewaltigen Schiffskörper. Deutsche Werkstätten
verfertigen die mächtigen Schiffsmaschinen und Kessel, die Riesen—
gürtel ãus schweren Panzerplatten, die Torpedos und wehrhaften
Geschütze mit ihren Türmen und Schutzschilden. Unsere Bergwerke
besorgen das Erforderliche an Erz und Kohle; die Hütten- und
Walzwerre verarbeiten die Rohstoffe. Zahllos sfind die Dinge, welche
die verschiedenartigsten Gewerbe zur Einrichtung und Ausrüstung
eines Kriegsdampfers liefern. Die stets wachsende Leistungsfähigkeit
der deutschen Werften und der damit verbundenen Betriebe hat das
Ausland veranlaßt große Bestellungen an Kriegsschiffen in Deutsch⸗
land zu machen. In den Jahren 1895 bis Mitte 1898 sind für fremde
Staaten 46 Kriegsschiffe im Werte von etwa 100 Millionen Mark
auf deutschen Werften gebaut worden, während noch vor wenigen
Jahrzehnten der deutsche Kriegsschiffbau vielfach von fremden Staa⸗
len abhängig war und ganze Schiffe von England bezogen werden
mußten. Damit hat auf deutschem Gebiete ein neuer Industriezweig
seine Entwicklung begonnen, der jetzt schon viele Tausende von
Arbeitern beschäftigt.
Die große und vielseitige Bedeutung einer starken, allzeit wehr⸗
haften Kriegsflotte hat das weitblickende Auge Kaiser Wilhelms 11.
von jeher erkannt. Schon nach seiner Thronbesteigung erhob er
seine gewichtige Stimme für den Ausbau der deutschen Flotte und
trat seitdem nachdrücklich für ihre Vergrößerung ein. „Aber auch
im deutschen Volke ist das Verständnis für das Seewesen, für die
Wichtigkeit des Meeres und seiner Beherrschung erwacht und freu⸗
digen Herzens ist jeder Deutsche/der sein herrliches Vaterland liebt,
bereit, die Bestrebungen seines Kaisers zu unterstützen und daran mit⸗
zuarbeiten, daß die deutsche Miegsflotte blü und gedeihe und, wenn
die Interessen des Reiches eine weitere derselben
erfordern, weiter wachse.“ (Aus einer Vede iser Elhelm⸗ 11.
Nach Georg Wislicenus u. H. Hansen.