126. Alois Sennefelder, der Erfinder der Lithographie.
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felder aber, in die tiefste Armut herabgesunken, mußte seine Hoffnung
auf bessere Zeiten verschieben. So verzweifelt war seine Lage, daß er
als Stellvertreter eines Militärpflichtigen ins Heer eintreten wollte, in
welches er jedoch, als ein Ausländer, nicht aufgenommen ward. Er
fristete nun sein Leben mit Notenschreiben, und bei dieser Beschäftigung
kam er auf den Gedanken, ob er seine Erfindung nicht für den Noten—
druck verwerten könne. Er verbesserte seine Tinte und konstruierte auch
eine Presse, die allerdings bei seinem Mangel an Mitteln nur armselig
ausfallen konnte. Indes der Versuch gelang, und die erste Abeit,
12 Lieder mit Klavierbegleitung, trug ihm vom Kurfürsten Karl Theodor
eine Belohnung von 100fl. ein. Nach mehrfachen mißlungenen Ver—
suchen, eine geeignete Presse herzustellen, die beim Drucke den Stein nicht
zertrümmerte, erfand Sennefelder im Jahre 1797 die Stangen- oder
Galgenpresse, die einen gleichmäßigen Druck ausübt und täglich mehr
als 1000 Abzüge liefert.
Freundlich stand dem strebsamen Manne der Schulrat und Inspektor
des Zentral⸗Schulbücher-Verlags, Steiner, zur Seite; dieser erteilte
ihm mehrfache Aufträge, und namentlich ließ er Bilderabdrücke für
Gebetbücher fertigen.
Versuche, das mit Bleistift und Rötel Geschriebene auf den Stein
zu drucken, um so das Verkehrtschreiben zu umgehen, führten auf den
Überdruck und Widerdruck von Lettern, Kupferstichen u. dgl, und so
auf den Flachdruck, chemischen Steindruck, die Autographie. Unter fort—
währenden Mühen und Sorgen kam Sennefelder durch viele Versuche
zu immer größerer Vervollkommnung seiner Erfindung. War er von
den Ergebnissen einer Prüfung nach unzähligen Versuchen befriedigt, so
führte ihn seine reiche Phantasie und seine scharfe Beobachtungsgabe
gleich wieder auf etwas Neues. Er kam auf die Kreidemanier, auf die
gestochene Manier, auf den Farbendruck, kurz auf alle jene wichtigen
Anwendungen seiner ersten Erfindung, durch welche diese sich nach so
vielen Seiten hin nutzbar erweist.
Um seine Kunst zum Gemeingut zu machen, gab er 1821 sein „Lehr—
buch der Lithographie“ heraus. Dieses Buch wurde ins Französische
und Englische übersetzt und trug zur schnellen Verbreitung der neuen
Erfindung nicht wenig bei. So sehr vervollkommnete sich diese, daß
schon nach kurzer Zeit Kunstwerke von hohem Werte geschaffen wurden,
wie die von Piloty, Hanfstängel u. a. herausgegebenen Blätter beweisen.
Die Geschichte der menschlichen Kulturentwickelung zeigt uns auf fast
jedem Blatte die betrübende Erscheinung, daß diejenigen, denen die Welt
eine neue Entdeckung oder Erfindung verdankte, nur selten Anerkennung
Marschall, Lesebuch für gewerbl. Fortbildungsschulen.
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