29. Regensburg, die Walhalla bei Donaustauf und die Befreiungshalle bei Kelheim. 55
die dunkle Kehrseite jenes Bildes aus vergangenen Jahrhunderten entgegen,
zu dem wir im erhabenen Dome die Lichtseite geschaut. Wir eilen in die
obberen Räume, in die Säle, wo der Reichstag des weiland heiligen römischen
Reiches deutscher Nation seine Sitzungen gehalten. Doch auch dieser Anblick
ist nicht geeignet, unsere trübe Slimmung zu bannen. Es ziehen die
unglücksvollen Zeiten unseres deutschen Vaterlandes seit dem Dreißigjährigen
Kriege an unserer Seele vorüber. Hier stritt man sich um leere Formeln,
während das Reich im Innern schon anfing zu zerbröckeln, und während
von außen im Osten und Westen grimmige und hinterlistige Feinde ihre
Arme räuberisch ausstreckten nach unseren Grenzen.
Ein bitteres Gefühl ergreift uns; es drängt uns hinaus ins Freie,
erfreulichere Bilder aufzusuchen. Wollen wir einen Gang machen um die
Stadt zu den geschmackvollen Anlagen, an denen Regensburg so reich ist?
Da können wir uns das Bildnis des Astronomen Kepler, von Dannecker
gefertigt, in der schönen Rotunda zwischen Stadt und Bahnhof anschauen. —
Nein, auch das würde keine erhebende Erinnerung sein. Denn, wie so viele
große Männer, so hatte auch Kepler, der scharfsinnige Astronom und Mathe—
matiker, der die Bahnen der Sterne berechnete und die Gesetze des Welt⸗
baues erforschte, mit des Lebens Notdurft zu kümpfen bis an seiner Tage
Ende. Wir wenden uns dem entgegengesetzten Ausgange der Stadt, der
Donaubrücke zu. Diese, Regensburg mit Stadtamhof verbindend, und von
Heinrich dem Stolzen in einträchtigem Zusammengehen mit den Bürgern
Regensburgs erbaut, war lange Zeit die einzige steinerne überbrückung,
welche die Donau von Ulm bis zu ihrer Mündung auf sich geduldet. So
fest ist der Bau, daß weder die mächtig anprallenden Eismassen, noch die
beständig an seinen Jochen rüttelnden Mühlen, noch die Kugeln der Be⸗
lagerer ihn zu erschüttern vermochten.
2. Vie mit erustem Rauschen vorüber flutenden Wogen scheinen uns zu
winken, ihnen zu folgen, bis dorthin, wo sich die Walhalla in ihnen spiegelt.
Es sind zwei Stunden dahin, und da der Tag so sonnig, so machen wir uns auf
den Weg. In der schönen Umgebung Regensburgs geht uns das Herz wieder
auf. Am nördlichen Gestade des Stromes steigen Hügel malerisch empor, gekrönt
mit schmucken Landhäusern, am südlichen breitet sich die gesegnete Donau⸗Ebene
aus. Prachtvoll erscheint von höherem Standpunkte aus die Stadt mit dem
ehrwürdigen Dome und den vielen schlanken Türmen. Auf der Landschaft
aber, so reich an schönen Baumgruppen, fetten Wiesengründen, bewaldeten
Höhen, Dorfschaften mit gotischen Kirchen, liegt ein Frieden, wie der eines
stillen Sabbats. Wir haben Donaustauf erreicht; oben auf anmutiger An⸗
höhe begrüßen uns die sorgsam gepflegten Gartenanlagen des Fürsten Taxis
Auf schattigen Waldgängen gelangen wir, an der in einiger Entfernung
links auf steilem Kalkfelsen trotzig herabschauenden Ruine des Schlosses
Stauf vorüber, auf die freie Höhe, welche die Walhalla trägt. Eine über—
raschende Aussicht entzückt uns da oben. über die Donau hinweg schweift
das Auge die reiche Getreideebene von Regensburg bis Straubing entlang.