285
„wo Gott die Gabe wird vergelten,
sei's hier nicht, doch in bessern Welten."
Da lacht der Luther ihm frei ins Gesicht
und strafet frisch ihn von der Leber.
5. „Herr Doktor! wißt ihr denn noch nicht,
daß Gott nur liebt den frohen Geber?
Und wer nur leihet auf Gewinn,
hat wahrlich seinen Lohn dahin!"
6. Es röten sich Herrn Jonas' Wangen;
die Sonne ist eben untergegangen
und ließ von ihrem Strahlenblick
die letzte Segensspur zurück. Hagenbach.
208. Sneewittchen.
1.
Es war einmal mitten im Winter und die Schneeflocken
sielen wie Federn vom Himmel herab, da, saß eine Königin an
einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte,
und nähte. Und wie sie so nähete und nach dem Schnee aufblickte,
stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei
Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Note im weißen
Schnee so schön aussah, dachte sie bei sich: „Hätte ich ein Kind,
so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Eben¬
holz!" Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, das war so weiß
wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz
und wurde darum das Sneewittchen (Schneeweißchen) genannt. Und
wie das Kind geboren war, starb die Königin.
Uber ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin;
sie war eine schöne Frau, aber stolz auf ihre Schönheit und konnte
nicht leiden, daß sie von jemand darin sollte übertroffen werden.
Sie hatte einen wunderbaren Spiegel; wenn sie vor den trat, sich
darin beschaute und sprach:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?"
so antwortete er:
»Ihr, Frau Königin, seid die Schönste im Land."