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Tag, liebe Frau, was habt Ihr denn zu verkaufen?" „Gute
Ware, schöne Ware," antwortete sie, „Schnürriemen von allen
Farben;" dabei holte sie einen bunten von Seide hervor und zeigte
ihn. Die gute Frau kann ich hereinlassen, dachte Sneewittchen,
die meint's redlich, riegelte die Türe auf und kaufte sich den
bunten Schnürriemen. „Wart' Kind," sprach die Alte, „wie bist
du geschnürt! Komm', ich will dich einmal ordentlich schnüren."
Sneewittchen dachte an nichts Böses, stellte sich vor sie und ließ
sich mit dem neuen Schnürriemen schnüren. Aber die Alte schnürte
so fest, daß dem Sneewittchen der Atem verging und es für tot
hinfiel. „Nun ist's aus mit deiner Schönheit," sprach das böse
Weib und ging fort.
4.
Nicht lange darauf, zur Abendzeit kamen die sieben Zwerge
nach Haus; aber wie erschraken sie, als sie ihr liebes Sneewittchen
auf der Erde liegen fanden, das sich nicht regte und nicht bewegte,
als wäre es tot! Sie hoben es in die Höhe, da sahen sie, daß
es zu fest geschnürt war und schnitten den Schnürriemen entzwei!
Da fing es an, ein wenig zu atmen und ward nach und nach wieder
lebendig. Als die Zwerge hörten, was geschehen war, sprachen
sie: „Die alte Krämerfrau war niemand als die Königin; hüt'
dich, und laß keinen Menschen herein, wenn wir nicht bei dir sind!"
Das böse Weib aber, als es nach Hause gekommen war, ging
vor den Spiegel und fragte:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?"
Da antwortete er:
„Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier;
aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist noch tausendmal schöner als Ihr."
Als sie das hörte, lief ihr das Blut all' zum Herzen, so er¬
schrak sie, daß Sneewittchen doch wieder lebendig geworden war.
Nun sann sie aufs neue, was sie anfangen wollte, um es zu töten,
und machte einen giftigen Kamm. Dann verkleidete sie sich und
nahm wieder die Gestalt einer armen Frau, aber einer ganz
andern, an.
So ging sie hinaus über die sieben Berge zum Zwergenhaus,
klopfte an die Türe und rief: „Gute Ware feil! feil!" Snee-
Mailänder, Deutsches Lesebuch. II. 3. Aufl. 19