Full text: Deutsche Geschichte von der Reformation bis auf Friedrich den Großen (Teil 3)

I. Zeitalter der Reformation. 
1. Deformation. 
Stimmungen. Zu Ende des 15. Jahrhunderts befanden sich die 
Völker Europas in einer nicht geringen Erregung. Im Verlaufe der Zeit 
hatten ihre Anschauungen sich umgestaltet, ihr Wissen sich erweitert, ihre 
Ansprüche an das Leben waren gestiegen. Die Kugelgestalt der Erde 
war längst festgestellt; die Erde selbst stand nicht mehr im Mittelpunkte 
unseres Planetensystems, sondern bewegte sich mit den anderen Wandel- 
sternen um die Sonne, so sehr auch der Papst wie Luther an der Wahr¬ 
heit dieser Lehre des Kopernikus zweifelten. Der Blick der Menschen wurde 
in die weite Ferne gelenkt; Afrika war umsegelt und damit der Seeweg 
nach Indien eröffnet, ein neuer Erdteil entdeckt und hinter ihm ein ge¬ 
waltiger Ocean aufgefunden. Die Kunst des Buchdrucks verbreitete schnell 
den Gedanken in weite Kreise; durch die Kunst des Lesens drang Bildung 
auch in breitere Schichten des Volkes ein, besonders in den volkreichen 
und wohlhabenden Städten. Seit der Eroberung Konstantinopels durch 
die Türken (1453) hatte durch flüchtige griechische Gelehrte sich die Kennt¬ 
nis der Schriften des Altertums in Westeuropa verbreitet und einen 
lebhaften Eifer für das Studium derselben erzeugt. Durch Italien, Frank¬ 
reich, die Niederlande, Deutschland und England ging ein frischer Zug geistiger 
Arbeit. Die gelehrte Forschung ließ falsche Voraussetzungen des Mittel¬ 
alters fallen; Dichtkunst, Malerei, Bildhauerei, Baukunst verjüngten sich 
durch die Muster der Antike (Humanismus und Renaissance; Petrarfa, 
Dante, Reuchliu, Erasmus, Hutten). Die Forschung erstreckte sich auch 
auf die Heilige Schrift und hielt sich nicht mehr in den Schranken der 
von der Kirche aufgestellten Glaubenssätze (Dogmen). 
Heimische Zustände. Eine allgemeine Unzufriedenheit mit den 
bestehenden Verhältnissen ergriff auch in Deutschland fast alle Schichten 
des Volkes. Der gepanzerte Ritter war für den Kriegsdienst überflüssig 
geworden, seit nach Erfindung des Schießpulvers die Landesherren Fuß- 
Schillmann, Schule der Geschichte. III. \
	        
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