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4. Die jungen Zweige haben fast noch mehr als bei der Edel¬
tanne einen balsamischen, erquickenden Geruch, und ihre Ausdünstung
wird für sehr gesund gehalten, besonders für solche, die an der
Brust und Lunge leiden. Man rät daher, sie entweder in ein Ge¬
säß mit Wasser zu setzen oder auch mit Bier, Essig und Wein zu
besprengen und so in die Zimmer zu stellen. Wenn du darauf acht
hast, so wirst du bald merken, wie eine reinere, stärkende Luft dich
umweht, sobald du in einen von der Sonne beschienenen Tannen-
oder Fichtenwald eintrittst.
5. Der Saft, welchen die Fichte ausschwitzt, ist nicht so flüchtig
(terpentinartig) wie von der Tanne, sondern dick und zähe. Zündet
man ihn aber an, so verbreitet er einen dem edlen Weihrauch ganz
ähnlichen Geruch, weshalb man ihn auch den wilden Weihrauch
nennt. Die Ameisen tragen ihn fleißig in ihre Haufen und die
Bienen in ihre Zellen.
6. So ist alles an dem Baume, von der Wurzel bis zum
Wipfel, eine segensreiche Gottesgabe für Menschen und Tiere. Zn
einem einzigen Tannenzapfen stecken 300 Samenkörner; davon
ernähren sich die Vögel, naschen die Eichhörnchen, und doch bleibt
noch genug für die Nachkommenschaft übrig. Jedem der vielen
Gißte, welche am großen Tische der Natur speisen, ist sein beson¬
derer Tisch gedeckt und seine besondere Essenszeit bestimmt. Un¬
gestört von anderen Gästen nimmt der Schnee-Ammer, der uns im
Winter besucht, seine Mahlzeit zu sich, wenn er, einer inneren
Stimme folgend, hinwegzieht zu den Meeresklippen der fernen
Polargegend, wo eben zu dieser Zeit des kurzen Sommers ein
Hirsegras grünet und blühet und zur Reise kommt, für welches der
Schnee-Ammer der einzige Abnehmer ist. Wie macht es aber der
Kreuzschnabel? Der kommt fernher in die heimatlichen Fichten¬
wälder, und gegen die Gewohnheit aller anderen Vögel baut er
sein Ziest in den ersten Wintermonaten des Jahres, hoch in die
Wipfel aus Fichtenreisern, legt und brütet seine Eier trotz Winter-
kälte und Winterstürmen, und die Jungen kommen glücklich aus.
Aber der liebe Gott hat ihm geoffenbart, daß um diese Zeit der
-Jchtensamen reif geworden sei, und diesen versteht er geschickt mit
seinem papageiartigen, an der Spitze übers Kreuz gelegten Schnabel
am den Schuppen herauszuholen.
Außer solchen lieben und willkommenen Gästen gibt es aber
auch noch manche unwillkommene, böse Gäste, die als Feinde in die