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noch vor wenigen Jahrzehnten fand man in dem Hause „zum Jungen“, in
dem er seine ersten Versuche angestellt hatte, den Querbalken einer Drucker—
presse mit der eingeschnittenen Bezeichnung J. G. 1441; es war der letzte
Überrest der ersten Druckerpresse Johann Gutenbergs.
Dr. Angust Nöfer. Liermanns Deutsches Lesebuch f. höh. Lehranstalten.)
194. Luthers Jugend.
1. Komm mit ins Thüringerland! Das ist ja schon ein Land, das
einem auch ohne den Dr. Luther das Herz abstiehlt mit seinen Wäldern und
Wiesen, seinen Bergen und Bächen und Burgen und mit alledem, was da
dran und drum hängt von alten Sagen und Liedern. Was so ein rechtes
deutsches Herz ist, dem wird's dort wohler als selbst auf den hohen Bergen
der Schweiz oder am rauschenden Meere, weil Land und Leute sich einem
nah ans Herz legen. Auf den Alpen und am Meere, da schweigt der Mund
vor der Majestät Gottes, aber hier geht er auf in dieser lieblichen Gegend
von wonnigen Liedern.
2. Thüringen liegt im Herzen unsers lieben Vaterlandes, und im Herzen
schlägt das Leben doch anders als im Kopf und im Fuß. Hier, recht
eigentlich in Deutschlands Mitte war Luthers väterliche Heimat. Dort in
dem Dörfschen Möhra unweit Salzungen war der Vater, Hans Luther, ein
Bergmann. Von hier zogen die Eltern nach Eisleben, wo ihnen am
10. November 1483 ein Sohn geboren wurde, der in der heiligen Taufe
den Namen Martinus erhielt. Als der Knabe kaum ein halbes Jahr alt
war, verließen die Eltern Eisleben wieder und gingen nach der etwa andert—
halb Meilen entfernten Stadt Mansfeld, weil der Bergbau dort reich—
licheren Verdienst verhieß. Hier besuchte Martin, als er alt genug war,
zuerst die Schule. Der Weg aber war weit, das Büblein klein und schwach.
Da übernahm's ein älterer Schüler, Nikolaus Omler, den kleinen Studenten
auf dem Arm in die Schule zu tragen. Das tat ihm wohl, und noch
als alter Mann hat's Luther ihm nicht vergessen, daß er in so weichem,
lebendigem Kutschwagen dahin gefahren worden. In der Mansfelder Schule
gab's zwar allerhand zu lernen, was wissenswert war, aber es gab auch
harte Prügel. So wurde Martin einmal an einem einzigen Vormittag fünf—
zehnmal gestäupt, d. h. mit Ruten gepeitscht, und zwar ganz unschuldig, weil
er Sachen aufsagen sollte, die er zuvor nie gehört noch gelernt hatte.
3. Zu Hause war die Zucht auch nicht von Samt und Wolle. Der
Vater, Hans Luther, war ein ehrenhafter Mann, streng, gerad' und kurz
und hielt die Kinder mit fester Hand ans vierte Gebot. Zuweilen war seine
Zucht allzu streng, und Luther erinnerte sich, daß er einmal so hart gestäupt
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