164
Menschenmenge dauernd zu ernähren. Letzteres vermag der Ackerbau allein zu
leisten. Daher steht der Ackerbauer höher als der Nomade. Der Ackerbau allein
ist im stande, eine Kultur, welche über die täglichen Bedürfnisse hinausgeht, zu
erzeugen. Der Ackerbau macht dem Wandern Einhalt und bewegt den Menschen,
nicht nur seine Hütte fester und wohnlicher aufzubauen, sondern seine ganze Um—
gebung sich einzurichten. Die Pflege des Bodens erfordert eine gleichmäßige Ar—
beit, welche dem Nomaden fremd ist. Trotzdem gewinnt der Ackerbauer, da er
des zeitraubenden Wanderns überhoben ist, Zeit genug, um auch andere Be—
dürfnisse, welche sich regen, zu befriedigen. Dazu gibt ihm nicht nur der reichliche
Ertrag seines Bodens die hinreichenden Mittel, sondern derselbe setzt ihn in den
Stand, auch andere für gewisse ihm zu leistende Arbeiten und Dienste zu ernähren.
Während der Nomade in weit voneinander liegenden Gemeinschaften zu
wohnen gezwungen ist, da er größere Strecken Weidelands zur Ernährung einer
Herde bedarf, können die Ackerbauer ganz nahe zusammenrücken und in großen
Gemeinschaften zusammenwohnen. Es können sich nicht nur Gemeinden, sondern
auch Staaten bilden. Allen jenen Bedürfnissen der Kleidung und Nahrung,
welche vom Jäger und Nomaden innerhalb der Familie befriedigt werden, widmen
sich nun Leute von besonderer Kunstfertigkeit. Es entwickelt sich die Industrie.
Nicht auf jedem zur Ausübung des Landbaues tauglichen Flecken Landes
kann sich aber eine höhere Kultur entwickeln. Es sind nur einzelne große, durch
massenhafte Gebirge geschützte und von bedeutenden Strömen durchschnittene
Ebenen oder günstig gelegene Inseln, auf denen sich die Menschen zu größeren
Gesellschaften ansammeln und in wechselseitigem Verkehr mit einander die Elemente
der Kultur selbständig erzeugen können.
2. Geographische Betrachlungen über die Hauphnahrungsmittel des Menschen.
August Grube.
Wenn man auf unserer nördlichen Halbkugel von Norden nach Süden geht—
so findet man im allgemeinen, daß die Völker allmählich und stufenweise immer
mehr Pflanzenkost genießen. Nur die Gebirgsgegenden, in denen die hohe Lage
über der Meeresfläche selbst zwischen den Wendekreisen ein nordisches Klima her—
vorbringt, bilden davon eine Ausnahme. Der Russe und Schwede, der Norweger
und Däne, der Deutsche und der Niederländer lieben Fleischspeise, der Südfranzose
mehr Brot; der Italiener ist zufrieden mit seinen Maccaroni, seiner Polenta und
seinen Gemüsen; der Grieche und Türke ist auch sehr mäßig im Fleischgenuß,
ebenso wie der ackerbautreibende Asiate; im südlichen Indien bringen Millionen
ihr Leben lang kein Stück Fleisch zum Munde und leben vorzugsweise von Reis
und Gemüsen und den Früchten der Palmen und Bananen; auch essen Südländer
weniger als die Bewohner des Nordens, und die Schiffe nehmen, wenn sie die
Meere im hohen Norden befahren, doppelt so viel Nahrungsmittel an Bord, als
wenn ihre Fahrt nach dem Süden geht.
In manchen Küstengegenden bilden Fische das Hauptnahrungsmittel; diese
stehen mitten zwischen Fleisch- und Pflanzenkost und enthalten nicht so viel
Nahrungsstoff als jene, weshalb sie auch in den verschiedensten Religionen für
eine Fastenspeise gelten.
Das Tier genießt seine Nahrung im rohen Zustande; es nimmt sie, wie
es dieselbe findet. Der Mensch bereitet sie sich zu, er verfeinert sie, macht sie