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ernannt werden sollen; aber am Neujahrstage wußte König Friedrich Wilhelm III.
bereits, daß vor den herandrängenden Franzosen König sberg geräumt werden
müsse und daß sich dann „keine Gelegenheit finden werde, den Prinzen ordentlich
einzukleiden?“ Am 3. Januar mußte die schwer kranke Königin mit ihren
Kindern nach Memel abreisen. Hier that der Fähnrich Prinz Wilhelm am
3. Oltober zum erstenmal Dienst bei der Spezialrevue des Bataillons Garde
Die Zeit der großen Reformen begann; aber die Zeit der Schmerzen war
noch nicht zu Ende. Das größte und tiefste Leid traf das königliche Haus
und das ganze Volk, als im Juli 1810 die Königin Luise starb.
Prinz Wilhelm, Weihnachten 1807 zum Sekondlieutenant befördert,
lebte und webte im militärischen Treiben. Die Brigadeaufstellungen, welche zu
Lönigsberg 1808 begannen und eine Probeschule neuer Taktik wurden, sowie
die Yorkschen Feldübungen bei Berlin und Potsdam, gaben dem Geiste des
Prinzen lebendige Anschauungen, und das Studium der Werke Friedrichs des
Großen nährte ihn mit weiten Ideen.
Endlich schlug für Preußen die Stunde der Erhebung, und begeistert
strömte das Volk zu den Fahnen. Prinz Wilhelm aber, der für schwächlich
galt, mußte, trotz seiner innigsten Bitten, zunächst in Breslau zurückbleiben;
eine harte Prüfung in Entsagung und schweigendem Gehorsam. Inzwischen
avancierte der Prinz am 15. Juni 1813 zum Premierlieutenant. —
Endlich am 30. Oktober nahm ihn der König ins Hauptquartier, beförderte ihn
vier Tage später zum Kapitän, und der Tag, an dem Prinz Wilhelm seit
sieben Jahren Soldat war, der 1. Januar 1814, wurde ihm in schönster Weise
verherrlicht: Er ging bei Mannheim mit dem Sackenschen Corps über den Rhein,
nachdem unter seinen Augen die starke Neckarschanze des linken Ufers genommen
worden war. Zu Langres, im großen Hauptquartier der Verbündeten, stand
der Prinz sodann dem Mittelpunkte der Ereignisse unmittelbar nahe, und die
große Zahl bedeutender Männer, die er hier kennen und würdigen lernte, reifte
sein Wesen. Am 2. Februar, beim Bereiten der Gefechtsstellung von Rosnah,
kam er zum erstenmal ins Feuer; am 26. Februar riit er bei Bar sur Aube
mit dem russischen Kürassier Regiment Ykow zum Angriff vor und hielt sich
bei dem Infanterie-Regiment Kaluga mit so großer Ruhe und Sicherheit im
feindlichen Gewehrfeuer, daß die Offiziere des Stabes ihre herzliche Freude
daran hatten. Kaiser Alexander J. schmückte ihn dafür mit dem St. Georgen—
orden 4. Klasse, und am 10. März, dem Geburtstage der Königin Luise, ver—
lieh ihm der König das Eiserne Kreuz.
Am 31. März 1814 zog Prinz Wilhelm, den Buchsbaumzweig auf dem
Tschako und die weiße Binde am Arme, mit den Monarchen in Paris ein,
umjubelt vom französischen Volke, dessen Unzuverlässigkeit und Wandelbarkeit
auf den jungen Fürsten einen tiefen Eindruck machten. Gekräftigt, gereift und am
30. Mai 1814 zum Major befördert, kehrte er im August in die Heimat zurück.
Der Kriegslärm verstummte auf kurze Zeit. Äm 8. Juni 1815 wurde
Prinz Wilhelm eingesegnet. Dem Glaubensbekenntnisse, das er niedergeschrieben,
hatte er eine Reihe von „Lebensgrundsätzen“ beigefügt, welche den tiefsten Blick
in sein Wesen gewähren und deren Kenntnis den geliebten Herrn recht eigentlich
verstehen lehrt. Darum mögen einige der wichtigsten Sätze hier wiederholt
werden. Da heißt es:
Ich erkenne es mit dankbarem Herzen für eine große Wohlthat, daß mich
Gott in einem hohen Stande hat lassen geboren werden, weil ich in demselben
mehr Mittel, meinen Geist und mein Herz zu bilden, ein reiches Vermögen,