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alt und verblichen und unansehnlich. Wenn ich über das Wasser fort¬
setze, sehe ich wieder eine Brücke. Das ist besonders hübsch! Wie eine
kurze Straße, die in der Luft steht, sieht sie aus, und auf der Straße
laufen Wagen, gehen Menschen, so deutlich, als wären sie auf hell¬
graues Papier gezeichnet. Und über dieser Brücke, noch höher in der
Luft, steht wieder eine Brücke, kleiner und Heller als die erste, wie
halb verwischt, und die Wagen und die Menschen darauf sind auch
klein und ein bißchen undeutlich.
Wie sonderbar die Mauern der Häuser im Kanal! Sie stehen
im Wasser, sie glänzen feucht; einige sind schief und krumm, ihre Fenster
stehen nicht in einer Reihe. Die Dächer sind nicht flach wie Schachteln
oben, sondern spitz von beiden Seiten zusammenlaufend. Die roten
Dachpfannen, auf welche die Sonne scheint, sehen frisch und neu, die
im Schatten schwärzlich und alt aus. An einigen Häusern sind kleine
Lauben. Ganz grün sind sie von Schlingpflanzen. Ich erkenne runde
Blätter und orangenrote Blumen. Lebhaft sind die bunten Farben
auf dem hellgrauen Himmel, aber an der dunklen Hausmauer kann
ich sie viel weniger gut erkennen.
Da kommt langsam ein großer Kahn angefahren! Unter den beiden
entfernteren Brücken kommt er heraus. Jetzt ist er in dem Sonnen¬
streifen! Ich sehe gelbe Kartoffeln liegen und rote Äpfel. Ach, eben
war der Kahn so bunt, und nun ist er auch schon in den Schatten
gekommen, und nun sehen die Kartoffeln grau und die Äpfel braun
aus. Der dumme Schatten! Die Sonne gefällt mir besser! In ihrem
warmen Schein ist alles neu und schön. Besonders das Rote, Orangen¬
rote und Gelbe. Liebe Sonne, komm wieder!
143. Winters Ankunft.
Hermann Klette.
Im weißen Pelz der Winter
Steht lange schon vor der Tür.
Ei, guten Tag, Herr Winter,
Das ist nicht hübsch von dir!
Wir meinen, du wärst, wer weiß, wie weit,
Da kommst du auf einmal hereingeschneit!
Run, da du hier bist, da mag's schon sein,
Aber was bringst du uns Kindelein?