Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

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von dem Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt. 
Märchen, von Friedrich Rückert.) 
Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald 
in gutem und schlechtem Wetter, 
Das hat von unten bis oben halt 
nur Nadeln gehabt statt Blätter; 
Die Nadeln die haben gestochen, 
das Bäumlein das hat gesprochen: 
Alle meine Kameraden 
haben schöne Blätter an, 
Und ich habe nur Nadeln, 
niemand rührt mich an; 
Dürft ich wünschen, wie ich wollt, 
wünscht ich mir Blätter von lauter Gold. 
Wies Nacht ist, schläft das Bäumlein ein, 
und früh ists aufgewacht; 
Da hatt' es goldne Blätter fein, 
das war eine Pracht! 
Das Bäumlein spricht: Nun bin ich stolz, 
goldne Blätter hat kein Baum im Holz. 
Da kam ein großer Wirbelwind 
mit einem argen Wetter, 
Der fährt durch alle Bäume geschwind 
und kommt an die glasenen Blätter; 
Da lagen die Blätter von Glase 
zerbrochen in dem Grase. 
Das Bäumlein spricht mit Trauern: 
mein Glas liegt in dem Staub, 
Die andern Bäume dauern 
mit ihrem grünen Laub; 
Wenn ich mir noch was wünschen soll, 
wünsch ich mir grüne Blätter wohl. 
Da schlief das Bäumlein wieder ein, 
und wieder früh ists aufgewacht, 
Da hatt' es grüne Blätter fein; 
das Bäumlein lacht 
Und spricht: Nun hab ich doch Blätter auch, 
daß ich mich nicht zu schämen brauch. 
Da kommt mit vollem Euter 
die alte Geiß gesprungen; 
Sie sucht sich Gras und Kräuter 
für ihre Jungen; 
Sie sieht das Laub und fragt nicht viel, 
sie frißt es ab mit Stumpf und Stiel. 
Da war das Bäumlein wieder leer; 
es sprach nun zu sich selber: 
Ich begehre nun keiner Blätter mehr, 
weder grüner, noch roter, noch gelber! 
Hätt' ich nur meine Nadeln, 
ich wollte sie nicht tadeln. 
Und traurig schlief das Bäumlein ein, 
und traurig ist es aufgewacht; 
Da besieht es sich im Sonnenschein 
und lacht, und lacht! 
Alle Bäume lachens aus, 
das Bäumlein macht sich aber nichts draus 
Aber wie es Abend ward, 
ging der Jude durch den Wald, 
Mit großem Sack und großem Bart; 
der sieht die goldnen Blätter bald: 
Er steckt sie ein, geht eilends fort, 
und läßt das leere Bäumlein dort. 
ODas Bäumlein spricht mit Grämen: 
die goldnen Blättlein dauern mich; 
Ich muß vor den andern mich schämen, 
sie tragen so schönes Laub an sich; 
Dürft ich mir wünschen noch etwas, 
so wünscht ich mir Blätter von hellem Glas. 
Da schlief das Bäumlein wieder ein, 
und früh ists wieder aufgewacht; 
Da hatt' es glasene Blätter fein, 
das war eine Pracht! 
Das Bäumlein spricht: Nun bin ich froh, 
kein Baum im Walde glitzert so. 
Warum hat's Bäumlein denn gelacht, 
und warum denn seine Kameraden? 
Es hat bekommen in einer Nacht 
wieder alle seine Nadeln, 
Daß jedermann es sehen kann; 
geh 'naus, siehs selbst, doch rührs nicht an. 
Warum denn nicht? 
Weils sticht.
	        
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