Full text: [Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr), [Schülerband])

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Derselben Ansicht war eine Ameise, die bei diesem Wetter im Walde 
spazieren ging. Sie war am Vormittag mit Eiern in Tannenberg auf dem 
Markte gewesen und trug jetzt das dafür gelöste Geld in einem kleinen, 
blauen Leinwandbeutel nach hause. Bei jedem Schritte seufzte und jam— 
merte sie: „Das Kleid ist hin,“ sagte sie, „und der hut auch! Hätt' ich 
nur den Regenschirm nicht stehen lassen, oder hätt' ich wenigstens die Über— 
schuhe angezogen! Aber mit Zeugschuhen in solchem Kegen ist gar kein 
Weiterkommen!“ 
Während sie so sprach, sah sie gerade vor sich in der Dämmerung einen 
großen Pilz. Freudig ging sie darauf zu. „Das paßt,“ rief sie; „das ist 
ja ein Wetterdach, wie man es sich nicht besser wünschen kann. hier bleib' 
ich, bis es aufhört zu regnen. Wie es scheint, wohnt hier niemand; desto 
besser! Ich werde mich sogleich häuslich einrichten.“ Das tat sie denn 
auch. Sie war eben daran, das Regenwasser aus den Schuhen zu gießen, 
als sie bemerkte, daß draußen eine kleine Grille stand, die auf dem Rücken 
ihr Violinchen trug. „hör', Ameischen,“ hub die Grille an, „ist es er— 
laubt, hier unterzutreten?“ „Nur immer herein!“ erwiderte die Ameise; 
„es ist mir lieb, daß ich Gesellschaft bekomme.“ „Ich habe heute,“ sagte 
die Grille, „im heidekrug zur Kirmes aufgespielt. Es ist ein bißchen spät 
geworden, und nun freue ich mich, daß ich hier die Nacht bleiben kann; 
denn das Wetter ist ja schrecklich, und wer weiß, ob ich noch ein Wirts— 
haus offen finde.“ 
Also trat Grillchen ein, hing sein Violinchen auf und setzte sich zu 
der Ameise. Noch nicht lange saßen sie da, als sie in der Ferne ein Lichtchen 
schimmern sahen. Als es näher kam, erkannten sie es als ein Laternchen, 
das ein Johanniswürmchen in der hand trug. „Ich bitt' euch,“ sagte das 
Johanniswürmchen, höflich grüßend, „laßt mich die Nacht hier bleiben! 
Ich wollte eigentlich nach Moosbach zu meinem Vetter, habe mich aber im 
Walde verirrt und weiß weder aus noch ein.“ „Nur immerzu!“ sagten die 
beiden. „Es ist recht gut für uns, daß wir Beleuchtung bekommen.“ 
2. Der Schein des Lichtchens führte ihnen bald einen Wanderer zu, 
der ziemlich ungeschickt über Laub und Moos herangestolpert kam. Es 
war ein Käfer von der großen Art. Ohne guten Abend zu sagen, trat er 
ein. „Aha!“ rief er, „so bin ich doch recht gegangen, und dies ist die 
Zimmergesellen-Herberge.“ Mit diesen Worten setzte er sich, holte seinen 
Schnappsack hervor und begann, sein Abendbrot zu verzehren. „Ja, ja,“ 
sagte er, „wenn man den ganzen Tag über holz gebohrt hat, dann schmeckt 
das Essen.“ Als er mit dem Essen fertig war, stopfte er sich seine Pfeife, 
ließ sich vom Johanniswürmchen Feuer geben, zündete an und fing an, 
ganz gemütlich zu rauchen. 
Unterdessen war es draußen ganz dunkel geworden und das Wetter 
schlimmer als vorher. Da traf zu allgemeiner Verwunderung noch ein 
später Gast ein. Schon seit längerer Zeit hörte man in der Ferne ein eigen— 
tümliches Schnaufen; dies kam langsam näher und näher, und endlich er—
	        
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