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die alle 5 bis 6 Jahre abgehauen werden. Über die Felder und Wiesen
hin ragt das Gehoͤlz. Je älter die Eichen im Gebüsche, desto stolzer
uͤnd selbstbewußter der Landmann. Hier und da gewährt das Gebüsch
eine Durchsicht nach dem Nachbarhofe, oder es öffnet sich eine Fernsicht
nach dem Turme des Dorfes, der am Sonntag alle Bewohner der
vielen zerstreuten Höfe zur Kirche ruft und der den eigentlichen Einigungs—
punkt der Gemeinde bildet. J. Möser.
39. Der Spreewald.
In der Niederlausitz, wo der Unterlauf der Spree beginnt, befindet
sich eine der merkwürdigsten Gegenden der Mark, nämlich der Spree—
wald, in dessen Mitte die Sladt Lübben liegt. Die Spree kommt
ier wegen mangelnden Gefälles gleichsam in Verlegenheit, welchen Weg
s wählen soll und teilt sich daher in eine unzählige Menge von Armen,
die eine weite Niederung e; und bei hohem Wasserstande völlig
überschwemmen. In älterer Zeit befand sich hier ein undurchdringlicher
Bruchwald, den die Wenden oder Sorben zum Zufluchtsort erwählten,
als sie vor den Deutschen nach Osten hin zurückweichen mußten. Die
Nachkommen derselben wohnen noch heute im Spreewalde und haben
die väterliche Sprache und Sitte bewahrt. Ein Teil des Spreewaldes
ist urbar gemacht und in fruchtbares Wiesen- und Gartenland verwandelt
worden; ein anderer Teil besteht noch jetzt aus Wald. Die herrschende
Holzart ist die gemeine Erle; doch findet man auch Eschen, Buchen,
Eichen, Weiden und Kiefern. Da nun die ganze Gegend von zahllosen
Flußarmen durchzogen ist, so müssen die Bewohner des Spreewaldes
alle Ausflüge und Besuche in Kähnen abmachen, die sie meist mit großer
Geschicklichkeit pfeilschnell durch das Wasser treiben. In festlichem Schmucke
fährt man Sonntags in Kähnen zur Kirche. In ernstem, feierlichem
Schweigen folgen auf Kähnen die Leidtragenden der Leiche eines Ver—
storbenen, welche zu Wasser nach dem Goltesacker gebracht wird. Zu
Kahne besucht der Förster sein Revier; in Kähnen werden die Ernten
ee Der Fremde, welcher zur Sommerzeit in diese Gegend
ommt, hat einen reichen Genuß. Die hohen, uralten Eichen und Erlen,
welche die Ufer besäumen, bieten in der Sommerschwüle erquickenden
Schaͤtten und spiegeln ihr dunkles Laub lieblich in dem klaren Wasser.
Unter einem Laubdache gleitet das Fahrzeug sanft dahin. Und wenn
nun gar der Abend hereinbricht und der Mond sein blasses Licht durch
das flüsternde Laub der Bäume wirft, dann ist der Anblick über—
aus köstlich. Ein ganz anderes Bild gewährt der Winter. Kaum hält
das Eis, so schnallt sich jeder Schlittschuhe an. Das arme, alte Mütter—
chen, das sich Leseholz en der Holzhauer, der Förster, Männer,
Weiber und Kinder, alle gleiten dann mehr oder weniger schnell über
die spiegelblanken Kanäle.
Noch vor wenigen Jahren war der Spreewald belebt von mancherlei
Tiergeschlechtern, die hier ihr Wesen trieben. Hirsche und Rehe gab es
in m Besonders fanden Wasservögel, als Kraniche, Schwäne,