fullscreen: Gedichtsammlung für die Klassen III - I (Gedichtsammlung, [Schülerband])

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Johannes Kant. 
er war allein der Lüge sich bewußt. 
Und schneller, als ihn getrieben der Freiheit Glück, 
trieb ihn der Sünde Pein nun zurück, zurück. 
Schon winkt von ferne der nnglücksel'ge Platz; 
70 die Räuber teilen dort noch immer den Schatz, 
am Mond licht prüfen, sie sich das Allerlei, 
die Pferde weiden zwischen den Büschen frei. 
Und wie sie lagern im Gras und tauschen, tritt 
in ihre Mitte der Kant mit hastigem Schritt. 
75 Er stellt demütig sich vor die Räuber hin, 
er sprach: „O wisset, daß ich ein Lügner bin! 
Doch log der Schrecken aus mir, darum verzeiht!" 
Mit diesen Worten riß er den Saum vom Kleid, 
in hohler Hand beut er ein Häuflein Gold, 
80 darüber des Mondscheins blinkende Welle rollt. 
Weil keiner zugreift, bittet er ganz beschämt: 
„Das hab' ich böslich vor euch verleugnet, nehmt!" 
Den Räubern aber wird's wunderlich im Kopf, 
sie möchten lachen und spotten ob dem Tropf; 
85 und ihre Lippe findet doch keinen Laut, 
und ihr vertrocknetes, starres Auge taut. 
Und in dem bleiernen Schlummer, den er schlief, 
regt sich in ihnen plötzlich der Jmp'rativ, 
der wunderbare, das heil'ge Gebot: „Du sollt — 
90 du sollt nicht stehlen!" und vor der Hand voll Gold 
aufspringen sie, dann werfen sich all' aufs Knie, 
ein tiefes Schweigen wallet; denn Gott ist hie. 
Jetzt aber regt sich emsig die ganze Schar: 
der reicht den Beutel und der die Kette dar, 
95 ein dritter bringt das Pferd gesattelt, gerüst't, 
das Meßbuch reicht der Hauptmann — er hat's geküßt; 
dann helfen sie ihm zu Roß mit willigem Dienst, 
nichts bleibt zurück vom neuen Räubergewinst; 
ja, mußte Herr Kant nur sein auf seiner Hut, 
100 daß sie ihn: nicht auch schenkten gestohlen Gut. 
Er scheidet, er teilt den Segen aus vom Pferd, 
wünscht ihnen gründliche Reu', die sie bekehrt. 
Rur dacht' er traurig, als uni die Eck' er bog: 
„Ihr armen Schelmen, ihr stehlet — und ich log!" 
105 Doch als er kam zum finstern Wald hinaus, 
da war verschwunden der Sünde ganzer Graus. 
Da stand der Morgenhimmel in roter Glut,
	        
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