Full text: Gedichtsammlung für die Klassen III - I (Gedichtsammlung, [Schülerband])

60 
Aus dem Nibelungenlied. 
61. Als er ihm das gelobte, hob Rüdeger den Schild. 
Nicht länger galt's zu säumen. Sein Mut wurde wild, 
auf die Fremden stürzt' er ritterlich im Flug. 
Wie manch geschwinden Schwertschlag der reiche Markgraf da schlug! 
62. Zurück traten Volker und der Tronjer auch; 
treu blieben dem Gelöbnis sie nach Heldenbrauch: 
doch fand er so viel Helden bei dem Turme stehn, 
daß Rüdeger zum Kampfe mochte wohl in Sorgen gehn. 
63. Günther nun und Gernot ließen sie herein 
in grimmer Mordbegierde: das mochten Helden sein! 
In bittrem Leide rückwärts trat auch Giselher. 
Er hoffte noch auf Rettung: darum mied er Rüdeger. 
64. Wie Rüdegers Gefolge da auf die Feinde drang! 
Wie schritten ihrem Herren sie nach in stolzem Gang! 
Sie trugen schneidig scharfe Schwerter in der Hand: 
drob brachen viel der Helme und mancher gute Schildesrand. 
65. Manch schneller Schlag der Müden traf in reichem Maß 
die von Bechelaren, der tief und sicher saß, 
bis auf den Sitz des Lebens, durch des Panzers Stahl. 
Sie leisteten im Schlachtsturm hohe Thaten ohne Zahl. 
66. Ganz in den Saal gedrungen war Rndegers Gesind: 
Volker stürzt' und Hagen auf sie sturmgeschwind; 
vor ihnen hatte Frieden nur der eine Mann. 
Von ihrer beider Händen das Blut bald durch die Helme rann. 
67. Wie furchtbar und grimmig der Schwerter Tosen klang, 
wie manche Schildspange von wucht'gem Hiebe sprang! 
Der Steinschmuck der Schilde fiel herab ins Blut. 
Sie fochten da so grimmig mit vordem nie geschauter Wut. 
68. Der Fürst von Bechlaren schuf sich freies Feld; 
so wirbt wohl im Kriegssturm um Ruhn: der beste Held. 
Des Tages hier bewährte Rüdegerens Schwert, 
daß er ein Ritter wäre heldenkühn und rühmenswert. 
69. Gernot der starke Recke rief den Helden an. 
Er sprach zum Markgrafen: „Ihr wollt mir keinen Mann 
hier am Leben lassen, edler Rüdeger! 
Das kränkt mich ohne Maßen: nicht ansehen mag ich's mehr. 
70. Eure eigne Gabe gereich' Euch nun zum Fall, 
da Ihr mir rauben wollet meine Freunde all! 
Wendet Ench zu mir nun und stehet meinem Schwert! 
So gut ich es vermögend, mach' ich mich Eurer Gabe wert."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.