Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

53 
5 
Früher wurde die Baumwolle nur in China und Ostindien ge— 
baut, wo sie auch gesponnen und dann zu einem Tuch gewoben wurde, 
welches man Musselin nannte. Da man aber damals nur mit der 
Hand und mit unvollkommenen Geräten spann, so war sowohl Garn 
als Tuch sehr teuer. Es wurde dasselbe oft in unglaublicher Fein— 
heit, fast wie Spinnengewebe, gesponnen. Da machte man im Jahre 
1775 die Erfindung, die Baumwolle auf Maschinen zu spinnen, 
und seitdem sind in verschiedenen Ländern Maschinenspinnereien in 
steigender Anzahl angelegt worden. Dieselben sind so eingerichtet, daß 
die rohe, oft noch unreine Baumwolle durch Maschinen gereinigt, 
in Bänder gezogen und zuerst auf Vorspinnmaschinen zu einem noch 
dicken, weichen Faden, zuletzt aber auf Feinspinnmaschinen zu feinem, 
festem Garn gesponnen wird. Jede Maschine hat etwa 300 Spin— 
deln, und nach der Zahl der Feinspindeln, welche in einer Fabrik 
tätig sind, schätzt man ihre Größe. Kurz nach der Spinnmaäschine 
(1792) erfand ein Engländer namens Cartwright (sprich Kartreit) 
den mechanischen Webstuhl, auf welchem Tücher der verschiedensten 
Art einzig durch Maschinentätigkeit unter geringer Beihilfe der Men— 
schen gewoben werden. Diese Webstühle, sowie die Spinnmaschinen 
sind in einer solchen Fabrik in verschiedenen Stockwerken des Ge— 
bäudes aufgestellt und werden alle durch Dampfmaschinen oder durch 
Wasserkraft in Bewegung gesetzt. Die Zahl der dabei beschäftigten 
Menschen ist im Verhältnis zur Menge der Arbeit, welche geliefert 
wird, außerordentlich gering. Denn unter der Pflege von zwei Men⸗ 
schen kann auf einer Spinnmaschine an einem Tage mehr Garn 
gesponnen werden, als der fleißigste Spinner in Ostindien in einem 
ganzen Jahre fertig zu bringen im stande war. 
Die Garne werden in den Spinnereien in Strähne oder so— 
genannte Schneller gehaspelt, welche aus 7 Gebinden bestehen, in 
jedem Gebinde 80 Fäden von 19 englischen Ellen, im ganzen also 
840 englische Ellen. Je mehr Strähne auf ein Pfund gehen, desio 
feiner ist das Garn. 
Außer zu Gespinsten wird die Baumwolle auch als Watte, dann 
als Verbandmittel bei Brand- und anderen Wunden angewendet. 
Taucht man Baumwolle einige Minuten lang in reine Salpetersäure 
oder in ein Gemenge von gleichen Teilen Salpetersäure und Schwefel⸗ 
säure und trocknet sie, nachdem man sie sorgfältig in Wasser ausge— 
waschen hat, in warmer Luft, so erhält sie die Eigenschaft, bei der 
Entzündung plötzlich zu verbrennen wie Schießpulver Man nennt 
die so zubereitete Baumwolle Schießbaumwolle. In Schwefeläther 
aufgelöste Schießbaumwolle gibt das sogenannte Kollodium, eine 
helle, dickliche Flüssigkeit, welche, auf eine Tafel oder auf die Haut 
aufgestrichen, nach Verdunstung des Ahers einen dünnen, wasserdichten 
Überzug zurückläßt. Das Kollodium spielt wegen dieser Eigenschaften 
eine wichtige Rolle in der Photographie und in der Arzneikunde.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.