Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Klassen von Gymnasien und Realschulen

27. Karl der Große als Bildner seines Volkes. 123 
Fuße erst übertrat, so bedeutete es gut Glück, so zogen sie frisch 
aus; wenn es aber mit dem linken Fuße zuerst übertrat, so be¬ 
deutete es Unglück. Much sonst in andern Sachen nahm ein jeder 
Wahrsagung von jeglichem Thiere, das ihm begegnete; war der 
Augenblick gut, so fuhr er fort, wo nicht, so hielt er inne. Auch 
öas Loos haben sie gebraucht dergestalt. Sie haben drei viereckte 
Hölzlein gehabt, deren jedes zwei weiße und zwei schwarze Seiten 
Hatte. Dieselben haben sie ohngefähr geworfen; ist dann der weißen 
Seiten mehr oben gelegen, so hat es Glück bedeutet, wo aber der 
schwarzen mehr, dann Unglück. Solches Unglaubens hatten sie mehr. 
Und es ließen sich die Nügianer bedünken, der Swantewit wär' 
so gewaltig ein Gott, daß sie auf seinen Schirm nur thun möch¬ 
ten, was sie wollten, er könne sie darin vertheidigen. * 
^ 2X- Karl der Große als Bildner seines Volkes. 
Auf seiner Römerfahrt im Jahre 781 war Karl zu längerem 
Aufenthalte in Italien genöthigt. Dort empfand.er mit der milden 
und dauerhaften Wärme, die ihm eigen war, den geistigen Adel, 
welchen das Verständnis antiker Bildung den besten Römern gab. 
Gr faßte den Entschluß, seine Franken derselben Bildung theil¬ 
haftig zu machen. Sogleich warb er die größten Gelehrten seiner 
Zeit, Alkuin und Peter von Pisa, dazu andere gebildete Italiener 
und gelehrte Nordländer, unter ihnen den Langobarden Paulus 
Diaconus, für eine Hochschule, die er in seiner Nähe gründete, 
ß* selbst wollte mit seinen Kindern und Hofleuten bei diesen 
Männern in die Schule gehen. Er hatte die Handschriften, welche 
das Wissen der Vorzeit bewahrten, mit tiefer Ehrfurcht betrachtet, 
und er ließ sogleich in demselben Jahre ein Wunderwerk der Kalli- 
iflaphie beginnen, ein Evangelienbuch auf Purpurpergament mit 
Gold und Silber geschrieben. Seitdem war er bis an sein Lebens¬ 
ende unermüdlich, alte Bücher der Heiden und Christen abschreiben 
»u lassen, um auch diese seltenen Schätze in seinem Lande zu ver¬ 
leiten. Er sah die römischen Prachtbauten und faßte den Ent- 
schluß, auch diese Kunst in sein Reich zu verpflanzen, und wieder 
P'iff er die Sache in seiner großen Weise an. Seine Baukünstler 
Gilten aus dem römischen Vitruv die Gesetze alter Baukunst lernen, 
ec Heß römische Säulen und Ornamente aus Italien nach Deutsch- 
land fahren, Kapitäle und Zieraten nach den Bauten von Rom 
Ravenna abformen. So baute er zahlreiche Kirchen und 
Röster, sich selbst einen Palast zu Ingelheim, ein Wunder im
	        
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