Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Klassen von Gymnasien und Realschulen

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61. Die Newa bei Petersburg. 
des März, sind die Gewässer wann und kräftig genug, um den 
sie drückenden Eismantel zu sprengen. Dieser Augenblick 
wird mit Sehnsucht erwartet, und kaum schieben sich 
schmutzigen Eisschollen vor, den glatten Spiegel des blasses 
so weit enthüllend, dass einem überfahrenden Boote freie 
vergönnt ist, so erdonnern die Kanonen von der Festung* ^e' 
sen erwünschten Moment den Bewohnern verkündend. 
selben Zeit, sei es Tag oder Nacht, steigt der Commandaaj 
der Festung, mit allen Insignien seines Ranges angethan aa 
von seinen Offizieren begleitet, in eine prächtig gescbmücld0 
Gondel, zum gegenüberliegenden Palaste des Kaisers zw fahre*- 
In einem grossen schönen Krystallbecher schöpft er das k^1’0 
Newawasser, um es als die erste und schönste Gabe des Fh'S^ 
dem Kaiser im Namen des Frühlings darzubringen. Er meldet 
seinem Herrn, dass die Gewalt des Winters gebrochen sei, 
das5 
die Gewässer wieder frei seien und eine fröhliche Schiff11 
gehofft werden könne, zeigt ihm als den ersten Wasserecht 
seine Gondel am Ufer, die er glücklich herbeigebracht, t 
überreicht ihm den Newabecher, den der Fürst auf die Gc 
sundheit seiner Residenz leert. Es ist das am besten bczau 
Glas Wasser, das irgendwo auf dem Erdenrunde getruuk611 
wird. Denn der Sitte gemäss gibt es der Kaiser dem ^ol11 
mandanten mit Gold gefüllt zurück. Früher bekam er es 8 
strichen voll Dukaten. Da aber mit der Zeit die Becher iute|, 
mehr an Grösse zunahmen, so dass die Kaiser immer 1X1 
und mehr Wasser trinken und immer mehr und mehr Gold bc 
zahlen mussten, so wurde endlich die Summe auf 200 Duk^cl 
festgesetzt, die dem Commandanten zugezählt werden. Gc" ’ 
noch immer für einen Trunk Wasser ein kaiserlicher L°kn 
Das Newaeis geräth gegen Ende des Winters, wenn sei'01 
mancher warme Tag auf seine Oberfläche wirkte, in ciucl 
ganz eigenthümlichen morschen Zustand. Es löst sich v&f 
lieh in eine ganze Menge dünner Eisstäbe von einem Zoll ^ 
Durchmesser und von der Länge der Eisdicke auf. Üie , 
Stäbe, aus denen die Eisdecke alsdann besteht, hängen am® , 
so schwach zusammen, dass man sich dann durchaus ulC 
mehr auf das Eis wagen kann. Wo nicht eine Schneeki’11® 
überliegt, da sinkt man mit dem Fusse durch ellendickes k1' 
indem man einige jener Stäbe hinabstösst. Grosse-, auf (^el1 
Trocknen liegende Eisschollen, die dem Anscheine nach ^ 
sammenhängende, dichte Massen bilden, zersplittern bei c
	        
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