6. Der Schildbürger große Thorheit.
21
und tragen. Aber mit unserm selbsteigenen Schaden müssen wir
Narren klug werden."
„Diesem," sagte ein anderer Schildbürger, „ist Rath zu schaffen
und zu helfen, ehe eine blinde Katze ein Aug' aufthut. Wer sie
hinabgethan hat, der kann sie auch wieder Hinaufthun. Darum,
welcher mit mir daran ist, der mache ein Eselsohr; wir wollen die
Lenden dahinter spannen und alle Hölzer wiederum hinauf schürzen,
so können wir sie noch alsdann fein allgemach lassen hinunter
rollen, da wir dann mit Zusehen unsere Lust haben und also für
unsere gehabte Mühe entschädigt werden."
Dieser Rath gefiel ihnen allen über die Maßen sehr wohl,
machten alle Eselsohren und schämten sich immer einer vor dem
andern, daß er nicht so witzig gewesen. Jedoch freueten sie sich
insgemein, daß sie ihrer angelegten Thorheit und angenommenen
Narrheit eine anfängliche Probe ablegen sollten.
Darum machten sie sich wieder an die Hölzer und schoben
den Rücken dahinter; und hatten sie zuvor, als sie solche den
Berg hinab brachten, unsägliche Mühe und unglaubliche Arbeit
gehabt, so hatten sie ihrer jetzund. gewiß dreimal mehr, bevor sie
wieder hinauf gebracht waren, zumal sie sich schon zuvor also ab¬
gearbeitet und abgemattet hatten, daß sie kaum mehr vermochten;
wären lieber ins Wirthshaus gegangen. Zuletzt brachten sie die
Hölzer alle wieder auf den Berg; nur das eine nicht, welches sie
nur halb hinabgezogen hatten, dieweil dieses schon von selbst
hinunter gelaufen war. Nachdem sie sich nun eine Weile ver¬
schnauft, ließen sie dieselben fein allgemach hinaborgeln, immer
eins nach dem andern; sie aber standen droben, sahen zu und
ließen sich's Wohlgefallen. Hiermit war ihr Herz und Muth zu¬
frieden gestellt, und das erste Muster oder Probestück ihrer Narr¬
heit gegeben. Welcher Ursache halber, und weil es ihnen das erste
Mal so wohl gelungen war, sie ganz fröhlich heimzogen, sich ins
Wirthshaus setzten, und weil sie ein gemeines Werk gethan, auch
billig ein großes Loch ins gemeine Gut fraßen.
Wo der nur das gemeine Gut
Verzehrt, der fürs Gemeine thut.
Da mag er selber köstlich leben
Und dennoch niemand Schaden geben.
Wird aber solches Gut verzehrt
Von denen, die es nie gemehrt.
Noch je geholfen zu erhalten,
So muß wohl alles llnglück walten.